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Tödliche Märchen

Tödliche Märchen

Titel: Tödliche Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Gardener sah er nichts mehr. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, daß er sich um sechs Minuten verspätet hatte. Wahrscheinlich hatte die Märchentante schon das Weite gesucht. Sie liebte die Pünktlichkeit, auch ihre Sendungen begannen stets auf die Minute genau. Er trat bis an den Rand der Familiengruft heran. Man hatte sie viereckig angelegt. An der Kopfseite stand der Stein, eine viereckige Platte aus schwarzem Marmor. In die Vorderseite war der Name des Toten eingraviert worden.
    Jason las ihn mit zitternden Lippen. Auch seine Großeltern lagen hier. Frische Blumen bedeckten die drei Grabstätten innerhalb einer. Seine Mutter brachte sie jeden zweiten Tag. Die Erde war aufgelockert und mit Tannenzweigen bedeckt worden.
    Den Jungen umgab die Stille des Todes. Bisher hatte er sich nicht gefürchtet, doch hier, vor dem Grab des Vaters, überkam ihn die Angst. Er faltete die Hände zu einem Gebet und vergaß den eigentlichen Grund seines Besuchs völlig.
    Ein Geräusch riß ihn aus seinen Gedanken und Erinnerungen. Der Junge stieß einen leisen Schrei des Erschreckens aus, drehte sich um, sah aber nur den leeren Weg.
    Schlagartig fiel ihm wieder ein, weshalb er überhaupt auf den Friedhof gekommen war. Grandma Gardener hatte ihn bestellt. So hoffte er, daß sie auch pünktlich gewesen war.
    Waren es Schritte gewesen?
    Jason drehte sich nach links. Dort führte der Weg in eine Kurve und war nicht mehr einsichtbar. Aber da stand sie.
    Zuerst bekam Jason das Zittern in den Knien, denn die Großmutter wirkte nicht so nett und freundlich wie auf dem Bildschirm. Sie trug einen langen Mantel, ein Kopftuch, und von ihrem Gesicht war nicht viel zu erkennen. Die blande steckten in den Manteltaschen. In ihrer linken Armbeuge baumelte eine Handtasche an halbrunden Bügeln. Sie wirkte wie ein Gespenst.
    Hinter ihr stand die Dunkelheit, sie selbst rührte sich nicht. Der leichte Wind spielte mit den Falten des Mantels, dann aber nickte sie dem Jungen zu.
    »Du hast dich verspätet, mein Kleiner.«
    Jason lauschte der Stimme nach. Letzte Zweifel wurden beseitigt. Ja, das war Grandma Gardener. So sprach sie auch immer in der Märchenstunde. Es war ihre Stimme, die einen freundlichen Ton bekommen hatte.
    »Ich konnte nicht anders.«
    Sie nickte. »Ja, ja, das verstehe ich. Immer die Mütter, wie?«
    »Genau, Grandma.«
    Sie kam näher, erreichte ihn, und Jason wagte nicht, sie anzusehen. Neben ihm blieb sie stehen. »Das ist das Grab deines Vaters, mein Kleiner, nicht wahr?«
    Der Junge nickte nur.
    »Hast du ihn gemocht?«
    Wieder dieses Nicken.
    Sie lachte kichernd, was Jason überhaupt nicht gefiel. »Ja, ich weiß es, die Jungen lieben ihre Väter. Oft sind sie Vorbilder, und es ist nicht gut, wenn man einem Kind das Vorbild nimmt.« Sie lachte wieder und berührte Jason an der Schulter. »Habe ich recht gehabt?«
    »Sicher, Grandma…«
    »Ich habe dich nicht umsonst geholt. Ich kann dich nicht leiden sehen. Du weißt ja, ich lese dir und Millionen von Kindern die Märchen vor. Ich mag Kinder, aber ich will nicht, daß sie leiden. Lachen sollen sie. Helle, lachende Kinderaugen sind etwas Wunderbares. Die können der Sonnenschein im Leben eines Menschen sein.«
    Die Worte der Frau prallten an Jason ab. Er schaute auf das Grab. In seinen Augen glitzerten Tränen, so daß die Schrift auf dem Grabstein verschwamm.
    Plötzlich bereute er es, auf den Friedhof gegangen zu sein. Grandma Gardener sah zwar so aus wie auf dem Bildschirm, aber sie wirkte längst nicht mehr so freundlich wie im Licht der Scheinwerfer. Später glitt sie dann zurück ins Halbdunkel und las mit flüsternder Stimme die Märchen vor. Einen Arm legte sie dabei um Jasons Schulter.
    »Und jetzt mein Junge, kommt das Wichtigste. Ich werde dich noch einmal etwas fragen. Hast du deinen Vater sehr geliebt?«
    »Ja.«
    »Würdest du ihn gern wiedersehen wollen?«
    Jason Finley war so überrascht, daß er zunächst keine Antwort geben konnte und tief Luft holte. Gleichzeitig schluckte er. »Wie… wieso…?«
    »Möchtest du ihn wiedersehen, Jason?«
    »Ja…«
    Grandma Gardener ließ ihn los, ging einen Schritt vor und danach einen zur Seite. Sie stand jetzt auf dem Grab und verdeckte durch ihre Gestalt den Stein. Scharf schaute sie ihn an. Ihre Augen leuchteten.
    »Gut, mein Junge, sehr gut. Du sollst ihn wiedersehen. Ich werde dafür sorgen…«
    ***
    Jason Finley war so überrascht, daß er zunächst kein Wort hervorbrachte. Er stand unbeweglich, spürte den Wind im

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