Tödliche Pralinen
Programm!“ stellte ich anerkennend
fest. „Dann fangen Sie mal an!“
„Also, vor vier Monaten beschließt
Blouvette-Targuy, seine Ideen, die er in der Broschüre mit dem Titel Über
die nötige Sauberkeit dargelegt hat, in die Tat umzusetzen. Er mixt ein
Gift zusammen und probiert es an seiner Frau aus. Das Resultat ist bekannt:
Fehlanzeige! Deshalb sieht er sich gezwungen, gewöhnliches Arsen zu verwenden…“
„Und an seiner Schwägerin probiert er das Gift
ebenfalls aus“, warf ich ein. „Erinnern Sie sich noch an das, was Catherine uns
bei Théron erzählt hat? Starkes Unwohlsein nach dem Verzehr von Kuchen! Sie hat
uns zweifellos angelogen. Ich meine, daß sie mit dem angeblich vergifteten
Kuchen zu einer Freundin gefahren ist, das war gelogen. Es steht außer Zweifel,
daß sie den Kuchen zusammen mit ihrer Schwester gegessen hat... vor etwa vier
Monaten!“
„Ja, das stimmt!“ rief der Journalist. Er regte
sich sofort wieder auf. „Er wollte beide Frauen loswerden! Aber Catherine kommt
ihm auf die Schliche. Blouvette beschuldigt sie daraufhin und hat einen Grund,
sie rauszuschmeißen. Und vier Monate später, Sie erinnern sich, Burma, schmeißt
er sie wieder raus. Gut. Tja, und dann...“ Verlegen kratzte er sich am Kopf. „Es
steht zwar fest, daß nur er die Schokolade vergiftet haben kann. Aber wie, das
ist mir ein Rätsel! Sie sagten, das sei der zentrale Punkt. Das finde ich auch.“
Ich kam ihm zu Hilfe und erklärte zum vierten
Mal das System des Mörders. Diese Großzügigkeit konnte ich mir ruhig erlauben!
„Wirklich bestialisch“, bemerkte Galzat
kopfschüttelnd. „Und das muß Catherine rausgekriegt haben.“
„Hat sie, Galzat, hat sie! Deshalb wollte sie
Sie kennenlernen und Ihre Aufmerksamkeit auf ausländische Lebensmittelhändler
lenken, die im Nebenberuf Anarchisten sein sollen.“
„Verstehe. Sie hat gehofft, daß ich diesen
Verdacht in einem Artikel erwähnen und damit meinerseits die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit auf die betreffenden Geschäfte lenken würde! So hätte der Mörder
seinen Plan erst mal auf Eis legen müssen.“
„Stimmt beinahe“, lobte ich Galzat.
„Wieso beinahe? Ist das wieder Ihre berühmte
Dynamit-Masche?“
„Das ist wieder meine berühmte Dynamik-Masche,
jawohl!“
„Und ich hatte Sie für einen guten Verlierer
gehalten! Jedenfalls sah es vor zwei Minuten so aus. Leider muß ich
feststellen, daß Sie Ihre Niederlage immer noch nicht eingestehen wollen.“
„Meine was?“
Ich stand auf und ging in dem gemütlichen Salon
auf und ab.
„Haben Sie ,Niederlage* gesagt? Ich gebe mich
erst dann geschlagen, wenn Sie mir beweisen, daß Monsieur Besse nicht herzkrank
ist.“
Jetz guckten alle Anwesenden ziemlich dumm aus
der Wäsche. Mit gutem Grund. War ich plötzlich plemplem geworden? Nur einer
dachte anders: Dr. Blouvette-Targuy. Dem Blick seines heilen Auges entnahm ich,
daß er mich wirklich für sehr dynamisch hielt.
„Was soll das denn schon wieder?“ kreischte
Galzat.
Mein Konkurrent regte sich immer mehr auf. Er
spürte, daß ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde oder ihm die Decke
auf den Kopf fiel. Was war das nun wieder für ein Trick à la Dynamit-Burma? Und
wer war dieser Monsieur Besse?
„Schluß jetzt mit dem Affentheater!“ rief ich. „Sie
werfen mir vor, ich würde zu schnell zuschlagen. Und Sie? Wenn Sie Ihrem Opfer
eine Minute Zeit gelassen hätten für eine Erklärung, anstatt ihn sofort auf die
Bretter zu schicken, dann hätte er Ihnen vielleicht verraten, daß das Digitoxin
für seinen Freund und Patienten Monsieur Besse in der Rue Nicolo bestimmt war!“
Ich holte tief Luft, redete aber sofort wieder weiter, um Galzat nicht zu Wort
kommen zu lassen. „Dieser Patient ist nämlich herzkrank, und ihn wollte
Blouvette... Dr. Blouvette-Targuy zu Hause besuchen — nachdem er auf einen...
äh... Sprung bei seiner Schwägerin reingeschaut hatte. Er hätte Ihnen außerdem
noch verraten... Aber es wäre, glaube ich, nicht schlecht, wenn Sie mich von
Zeit zu Zeit korrigieren würden, Doktor. Denn auch uns Halbgöttern unterläuft
mal ein Fehler... allerdings weniger kapitale als Ihnen, Galzat! Hélène,
entfesseln Sie bitte den armen Doktor und nehmen Sie ihm den Knebel aus dem
Mund! Danke. Ich möchte Sie bitten, Doktor, mit Ihren Protesten noch ein wenig
zu warten und schweigend zuzuhören. Unterbrechen Sie mich nur, wenn Sie etwas
richtigstellen müssen oder ich Sie etwas frage. Einverstanden? Gut.
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