Toedliche Saturnalien
Zukunft voraus, sondern erfragten zu einem speziellen Thema und einem bestimmten Zeitpunkt den Willen der Götter. Das war dem gemeinen Volk ein wenig zu vergeistigt, so daß der Staat hin und wieder auch die etruskischen Haruspices konsultierte, die den Willen der Götter mittels der recht derben Methode interpretierten, die Eingeweide von Opfertieren zu untersuchen. Noch seltener und nur in Zeiten großer Not oder außergewöhnlicher Omen wurden die Sibyllinischen Bücher zu Rate gezogen, die von einem Kollegium von fünfzehn vornehmen Männern verwaltet wurden.
All diese offiziellen Zeichendeuter waren hochgestellte Persönlichkeiten, deren Rat und Weissagungen vom Staat und der Öffentlichkeit allgemein geachtet und befolgt wurden.
Darüber hinaus boten auch private Auguren und Haruspices gegen Honorar eine persönliche Beratung an, doch das offizielle Rom strafte sie mit Verachtung. Deshalb gab es die weisen Frauen, die fortwährend sowohl in trivialen wie in bedeutenden Angelegenheiten konsultiert wurden. Im Gegensatz zu den offiziellen Omen-Deutern, die nicht vorgaben, über irgendwelche besonderen Kräfte zu verfügen, behaupteten diese Seherinnen oft, die Zukunft vorher sagen zu können. Gemeinem Volk wie Adel fehlte es nie an Leichtgläubigkeit, und auch die Häufigkeit falscher Weissagungen konnte das Vertrauen in diese Prophetie nicht erschüttern.
Die erste Bude, an die ich kam, war besonders klein und schäbig, ohne daß man die anderen deswegen gleich mit Feldherrenzelten verwechselt hätte. Ich trat ein und mußte ob der dicken Weihrauchschwaden sofort husten. Meine Augen brannten, und ich konnte nur mit Mühe eine betagte Frauengestalt erkennen, die anmaßend auf einem Dreifuß hockte, als wäre sie eine echte Sibylle.
»Was wünschst du von Bella?« zischte sie. »Bella findet das Verborgene. Bella erkennt das Zukünftige.« Sie hatte fast keine Zähne mehr, so daß die Worte ein wenig undeutlich und verschwommen klangen, was ihnen viel von ihrer beabsichtigten furchteinflößenden Wirkung nahm.
»Eigentlich suche ich jemanden, der sich mit Kräutern und Heilmitteln auskennt«, erklärte ich.
»Sechs Stände weiter auf der linken Seite«, sagte sie. »Unter den Circusarkaden. Frage nach Furia.«
Im Umgang mit Zahlen war die Gute offenbar nicht sonderlich gewandt - zwischen ihrer Bude und dem Circus befanden sich mindestens zwölf weitere Stände. Ich hoffte für ihre Kunden, daß es um ihre prophetischen Gaben besser bestellt war als um ihre mathematischen. Aus den Zelten, an denen ich vorbeikam, hörte ich Rasseln, Flöten und Klagegesänge. Einige der Frauen behaupteten, für ihre Kunden einen Kontakt mit toten Verwandten herstellen zu können. Warum diese Schatten sich nie in normalem Tonfall, sondern stets kreischend und klagend melden mußten, habe ich nie verstanden. Genausowenig wie die Tatsache, daß man sie überhaupt zu sprechen wünschte.
Ich hatte schon genug Ärger mit meiner lebenden Verwandtschaft.
Die unterste Arkade eines jeden Circus ist ein fast idealer Ort für einen improvisierten Markt, und die des Circus Flaminius war sogar mit einem Vorhang abgetrennt, wobei weitere Vorhänge die einzelnen Stände unterteilten. Das war zwar ungesetzlich, aber manchmal wirkt ein kleines Schmiergeld Wunder. Ich steckte meine Nase in das eine oder andere Zelt, bis ich mich schließlich zu Furia durchgefragt hatte.
Zum Glück hegte sie keine besondere Vorliebe für Weihrauch. Der Vorhang, der den Bogen verdeckte, war mit Reben und Blättern, Pilzen und geflügelten Phalli verziert.
Drinnen war es düster, doch ich konnte Körbe mit streng riechenden Kräutern und getrockneten Wurzeln erkennen. Im hinteren Teil saß eine Bauersfrau mit verschränkten Beinen auf einer Strohmatte. Sie trug eine weite schwarze Robe und einen seltsamen Hut. Die breite Krempe ragte über die Schultern, während er sich nach oben zu einer langen Spitze verjüngte.
»Willkommen, Senator«, sagte sie, von meinem Rang offenbar wenig beeindruckt. »Womit kann ich dienen?«
»Bist du Furia?«
»So ist es.« Sie sprach mit dem etruskischen Akzent der Region jenseits des Tibers. Etrusker genießen einen hervorragenden Ruf als Magiere.
»Ich bin Decius Caecilius Metellus der Jüngere und...«
»Wenn du ein Assistent des Aedilen bist, ich habe meine Gebühren schon bezahlt.« Sie bezog sich offenbar auf das Schmiergeld.
»Für eine Wahrsagerin ist es mit deinen seherischen Kräften ja nicht besonders weit her«,
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