Toedliche Saturnalien
ich, wenn ich so lange lebe, das Mindestalter erreicht haben.«
»Dann solltest du jetzt schon anfangen, Schulden zu machen«, riet er mir. »Was führt dich zum Viehmarkt? Ich komme nur hierher, wenn mein Dienst es verlangt.«
»Ich habe mich gefragt, wo die Wahrsager abgeblieben sind. Auf dem Forum sind sie nicht, und hier kann ich sie auch nirgends entdecken.« Ich spürte, wie jemand an meiner Toga zupfte und blickte nach unten. Ein Kleinkind nuckelte an meinem Saum. Ich entriß ihn dem kleinen Ungeheuer und vergewisserte mich, daß kein ernsthafter Schaden entstanden war. Das Kind warf mir einen enttäuschten Blick zu und kehrte zu seinem Kindermädchen zurück.
»Zu Jahresbeginn haben wir sie wieder mal aus der Stadt verbannt«, sagte Bestia. »Du kennst doch Caesars Ordnungsfimmel. Als Konsul und Pontifex Maximus hat er als erste Amtshandlung den Befehl erteilt, sie aus der Stadt zu verjagen. Ohne die Erlaubnis eines Aedilen dürfen sie die Stadt nicht einmal zum Einkaufen betreten.«
»Und wo sind sie jetzt?« fragte ich.
»Sie haben ihre Zelte auf dem Marsfeld beim Circus Flaminius aufgeschlagen. Ich dachte immer, du gehörst zu den Leuten, die nicht mal an Omen glauben. Was willst du von einem Wahrsager?«
»Es zahlt sich stets aus, vorsichtig zu sein«, erklärte ich ihm.
Bestia war jemand, mit dem ich ganz bestimmt nicht über meine Ermittlungen reden wollte.
»Nun, auf dem Campus wirst du sie finden. Komm schon, gib's zu: Du hast irgendeine hochgeborene Dame geschwängert und mußt jetzt eine Abtreibung organisieren.«
»Du hast es erraten. Caesars Frau.«
»Und die muß über jeden Verdacht erhaben sein!« Auch nach vier Jahren fanden die Römer Caesars unglaublich pompöse und bigotte Erklärung noch immer urkomisch, obwohl wir im Laufe der Zeit immer seltener über Caesar lachten.
Ich bedankte und verabschiedete mich. Bestia hatte bis zum Hals in Catilinas hirnrissiger Verschwörung gesteckt und wäre beinahe in einen Mord verwickelt worden. Doch es gelang ihm, sauber aus der Sache heraus zu kommen, weil er als Pompeius' Spion in der Bewegung fungiert hatte. Aber es war zwecklos, sich in einer Pose moralischer Überlegenheit zu ergehen. Wenn man in der römischen Politik etwas erreichen wollte, mußte man sich fast zwangsläufig mit Ekeln wie Bestia herumschlagen. Er gehörte nicht einmal zu den schlimmsten.
Bis zum Circus Flaminius war es ein strammer Fußmarsch, aber wer hat nach Tagen auf See und zu Pferde etwas gegen eine Wanderung einzuwenden? Ich verließ die eigentliche Stadt durch die Porta Carmentalis unweit des südlichen Hangs des Capitols.
Ich suchte keine bestimmte Wahrsagerin, sondern wollte nur die Atmosphäre einer mir völlig fremden Welt schnuppern: die seltsame Unterwelt der Hexen.
In Italien gab es drei mir bekannte Arten von Hexen: die Saga oder weise Frau, die gewöhnlich als Wahrsagerin arbeitete und in Kräutern und okkulten Fragen kundig war. Sie galt nicht als böswillig und wurde von den Behörden nur deshalb regelmäßig aus der Stadt vertrieben, weil sie manchmal politische Ereignisse oder den Tod berühmter Männer voraussagte. Solche Prophezeiungen konnten sich leicht bewahrheiten, vor allem bei einer so abergläubischen Bevölkerung und in einer Stadt, in der Gerüchte eine Hauptquelle für Informationen waren.
Dann gab es die Striga, eine echte Hexe oder Zauberin. Diese Frauen wußten, wie man jemanden mit einem Fluch oder Zauber belegte und die Körper der Toten für unsaubere Riten benutzte.
Sie waren allseits gefürchtet, und ihre Aktivitäten vom Gesetz strikt verboten.
Schließlich gab es noch die bereits erwähnte Venefica: die Giftmischerin. Ich hatte nicht vor, gleich eine von ihnen aufzusuchen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Händlern priesen sie ihre Waren aus naheliegenden Gründen auch nicht lauthals an.
Als ich in Sichtweite des Circus Flaminius kam, sah ich die Zelte und Buden sofort. Sie waren knallbunt und phantasievoll bemalt, wobei Sterne, Schlangen und Halbmonde die bevorzugten Motive darstellten. Die Geschäfte schienen prächtig zu laufen, ein weiteres Anzeichen für unruhige Zeiten. Wie in so vielen Dingen gab es in Rom auch im Bereich der Wahrsagerei zwei verschiedene Traditionen: die offizielle und die populäre.
Auf offizieller Ebene hielt sich der Staat gewählte Auguren, die die Omen, vor allem Vogelflug, Blitz, Donner und andere Himmelsphänomene, nach strikt festgelegten Bedeutungstafeln deuteten. Auguren sagten nicht die
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