Toedliche Saturnalien
aussehenden alten Bäuerin ließen wir uns die Zukunft weissagen. Sie studierte unsere Handflächen und prophezeite uns eine lange glückliche Ehe mit vielen Kindern sowie Ruhm und Reichtum. Vor den Zelten der vielen professionellen Wahrsagerinnen hatten sich lange Schlangen gebildet, in denen die Leute darauf warteten, sich ihr Schicksal für das kommende Jahr vorher sagen zu lassen. Ich sah mich auch nach Furias Zelt um, konnte es jedoch nirgends entdecken.
Überall versuchten die Menschen ihr Glück an den aufgeklappten Falttischen. Öffentliches Glücksspiel war nur an den Saturnalien erlaubt, während man das restliche Jahr über lediglich im Circus wetten durfte. Als der Abend sich seinem Ende zuneigte und die Fackeln herunter gebrannt und flackernd und qualmend erloschen waren, warfen immer noch einige hartnäckige Spieler im Licht der Saturnalien-Kerzen ihre Würfel und Knöchel.
Gegen Mitternacht machten sich die meisten Menschen auf den Heimweg, um sich für die Feierlichkeiten des kommenden Tages zu schonen. Ich brachte Julia bis vor die Tür von Caesars großem Stadthaus am Forum, der Villa des Pontifex Maximus, die an den Palast der Vestalinnen grenzte. An der Tür erwartete uns die beeindruckende Gestalt Aurelias, die es sich dieses eine Mal versagte, mir eine Strafpredigt zu halten. Mit dem Versprechen, uns am nächsten Tag wieder zu sehen, verabschiedeten wir uns, wagten es vor den Augen ihrer Großmutter jedoch nicht, uns auch nur einen flüchtigen Kuß zu geben. Sie war durchaus in der Lage, ihre Sklaven mit Peitschen und Knüppeln auf mich zu hetzen.
Trotz des ausgefüllten Tages fühlte ich mich auf dem Heimweg kein bißchen müde. Ich schlenderte gemächlich durch enge, gewundene Gassen, nahm hin und wieder die Grüße und guten Wünsche torkelnder Betrunkener entgegen und stieg über die Körper vergnügungslustiger Römer, die gar zu heftig gefeiert und es nicht mehr bis nach Hause geschafft hatten. Mir fielen wieder die Hexen ein, die heute nacht auch ausgiebig feiern sollten. Was trieben sie wohl draußen auf dem vaticanischen Feld?
Zu Hause mußte ich mich selbst einlassen, weil auf mein Klopfen bestimmt keiner reagieren würde. Ich ging ins Schlafzimmer und entledigte mich endlich meiner Toga, die mir schon den ganzen Abend über lästig gewesen war. Ich machte Anstalten, mich auszuziehen, hielt dann inne, setzte mich auf die Bettkante und dachte nach. Ich war hellwach. Wenn ich mich jetzt hinlegte, würde ich doch nur bis zum Sonnenaufgang an die Decke starren.
Es war zwecklos. Ich war seit drei Tagen in Rom, hatte Vorsicht walten lassen, mich bedeckt gehalten und versucht, meine Ermittlung auf die Befragung einzelner Personen zu beschränken. Das war einfach nicht normal. Ich konnte meine Gedanken nicht losreißen von diesen Strigae und ihren Riten außerhalb der Stadtmauer. Es war an der Zeit, etwas Dummes, Gefährliches und Selbstzerstörerisches zu tun.
Ich stand auf, schlüpfte in ein Paar Jagdschuhe, die ich am Knöchel eng schnürte. Anstelle meiner Senatorentunika zog ich ein dunkelblaues Gewand an und warf einen schwarzen Kapuzenumhang über, der mich bis zu den Knien bedeckte. Es war zwar keine Tarnkappe, aber es mußte reichen. Ich steckte Dolch und Caestus wieder ein und erwog, auch mein Schwert mit zu nehmen, was mir dann doch übertrieben vorkam. Im Kampf gegen die spanischen Freischärler hatte ich gelernt, daß ein enttarnter Spion mehr als jede Waffe flinke Füße brauchte.
Wenige Minuten später eilte ich, so schnell die Dunkelheit es zuließ, durch die Straßen in Richtung Fluß. Von meinem Haus aus führte mich der kürzeste Weg entlang des Viehmarkts und über die aemilische Brücke. Dieser Zugang zur Stadt war nur selten gesperrt, weil nachts viele Bauern mit ihren Karren zu den morgendlichen Märkten fuhren. Das Brückentor wurde nur in Notfällen geschlossen, und die Legende wollte wissen, daß es nur einen römischen Helden brauche, diese Brücke zu verteidigen.
Auf der anderen Seite der Brücke folgte ich der Via Aurelia in das Gebiet, das einst zum alten Tuscia gehört hatte, aber das Quietschen der Bauernkarren störte mich, so daß ich eine Seitenstraße nach Norden nahm, um ihnen zu entkommen. Bald war das gelegentliche Schreien einer Eule das einzige Geräusch, weil die Nacht zu kühl war für das Zirpen der Insekten.
Das vaticanische Feld ist ziemlich groß, und ich kam mir bald ziemlich idiotisch vor, meinem Impuls so unbedacht nachgegeben zu
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