Toedliche Saturnalien
männlichen Schrei, als meine Klinge ihr Ziel traf. Dann wurden meine Arme in einem Klammergriff gepackt, mein Dolch wurde mir entrissen.
Als ich wie zuvor der Junge auf die Lichtung geführt wurde, wehrte ich mich zwar heftig, und die Frauen wichen zunächst erstaunt und entsetzt vor meiner entweihenden Anwesenheit zurück, bis sie sich kreischend auf mich stürzten. Ich erhielt ein paar Kratzer, aber Furia machte ihnen ein Zeichen, zurück zu treten und zu schweigen.
»Sieh, was wir gefunden haben!« sagte einer der Männer, die mich festhielten, im mittlerweile vertrauten marsischen Akzent.
»Ich glaube, er will geopfert werden«, sagte ein anderer Mann. »Sollen wir ihn zum Mundus führen?« Er war offenbar ein Römer, dem Dialekt nach zu urteilen ein Vertreter der Oberschicht. Furia schlug ihm mit der Hand in seine Gesichtsmaske, daß er aufschrie.
»Dummkopf! Der hier ist häßlich und vernarbt wie ein Gladiator! Die Götter wären tödlich beleidigt, wenn man ihnen so etwas anbieten würde!«
Ich fand ihr Urteil ein wenig harsch. Zugegeben, kein Künstler hatte mich bisher gebeten, für eine Apollo-Statue Modell zu stehen, aber ich hatte mich nie für wirklich häßlich gehalten. Was die Narben anging, hatte sie allerdings recht. Für einen im Grunde friedfertigen Menschen hatte ich mir eine Menge zugezogen. Doch ich wollte nicht mit ihr streiten. Sie klopfte mit der Spitze ihres Stabes gegen meine Wange. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von diesen Dingen fernhalten, Römer«, sagte sie tadelnd. »Und auch meine Assistenten haben dich noch einmal ausdrücklich gewarnt.
Wenn du auf mich gehört hättest, müßten wir dich jetzt nicht töten.«
»Du hast doch gesagt, daß ich ein langes Leben haben werde!« protestierte ich. »Das macht dich zu einer ziemlich miesen Wahrsagerin, wenn du mich fragst!«
Sie kicherte tatsächlich. »Ein Mann kann seine eigene Vernichtung herauf beschwören, auch wenn die Götter ihm wohlgesonnen sind.« Ihre Haare waren zerwühlt wie das Lager einer Eselin, und sie sah mich mit wilden Augen an. Sie war blut- und schweißüberströmt und stank geradezu bestialisch nach frisch abgezogenem Ziegenfell, aber in jenem Moment empfand ich eine so starke Lust, die alles in den Schatten stellte, was ich für eine der makellosen Adelsdamen hätte empfinden können. Manche Dinge übersteigen eben jegliche Vernunft.
Sie spürte es, machte einen Schritt auf mich zu und flüsterte: »Diese Zeremonie dient dazu, die Götter wohlgesonnen zu stimmen und unseren Toten Frieden zu geben. Wenn es sich um ein Fruchtbarkeitsritual handeln würde, hätte ich eine bessere Verwendung für dich.«
Plötzlich stand Ciodia neben mir. »Du bist schon immer ein Mann von sonderbaren Vorlieben gewesen, Decius«, sagte sie, »aber du hast einen denkbar schlechten Zeitpunkt gewählt. Nur bei den Frühlingsriten gibt es einen gewissen Bedarf an geilen Böcken.«
»Er hat in Gegenwart der Götter geweihten Boden betreten, Patrizierin«, erklärte Furia. »In solchen Augenblicken sind die Kräfte des Lebens und des Todes in allen von uns besonders stark.« Sie wandte sich den Männern zu, die mich fest hielten.
»Sein Blut darf nicht auf heiligem Boden vergossen werden«, befahl sie. »Bringt ihn weg von hier und tötet ihn.«
»Warte«, sagte Ciodia. »Er ist ein berüchtigter Exzentriker, aber seine Familie ist eine der mächtigsten Roms. Man wird nach seinem Tod nicht leichtfertig zur Tagesordnung übergehen.«
»Sie ist eine von ihnen!« sagte einer der marsischen Männer.
»Wir hätten nie adlige Römer zu unseren Riten zulassen dürfen!
Nun siehst du, wie sie zusammen halten.«
»Ich nicht«, sagte der vornehme Römer, der einen meiner Arme hielt. Ich war mir sicher, seine Stimme schon einmal gehört zu haben. Er hielt seinen Dolch hoch. »Ich würde ihm mit dem größten Vergnügen die Kehle durchschneiden, Priesterin.«
Sie dachte einen Moment lang nach. »Römer«, sagte sie zu mir, »ich habe dir ein langes Leben vorhergesagt, und ich will dem Willen der Götter nicht zuwiderhandeln.« Dann wandte sie sich an einen der Männer: »Bringt ihn weg und stecht ihm die Augen aus, damit er niemals jemanden hierher führen kann.« Sie drehte sich zu Ciodia um. »Bist du damit zufrieden, Priesterin?«
Ciodia zuckte die Schultern. »Ich denke schon. Er ist ein notorischer Unruhestifter, aber wenn er blind wieder aufkreuzt, wird wohl niemand seinem Gerede Glauben schenken.« Und dann an mich
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