Toedliche Saturnalien
ihre Männlichkeit verbergen und sie für dieses rein weibliche Ritual vorübergehend zu Eunuchen machen wollen.
Eine Frau, eine der Bäuerinnen und älter als Furia, trat vor.
Sie trug ein Leopardenfell über die Schultern, und ihre Arme waren mit Schlangen bemalt oder tätowiert. In einer Hand hielt sie eine Leine, deren Ende um den Hals eines nur mit Kränzen und Blumen gekleideten jungen Mannes geschlungen war. Er war ein kraftvoller Bursche, gut aussehend und athletisch gebaut. Er hatte eine perfekte Haut, bar jeder Narben und Geburtsmale, und ich fühlte mich auf unangenehme Weise an das Prachtexemplar eines Bullen erinnert, dessen Opferung ich am früheren Abend beigewohnt hatte. Wenn irgend etwas an ihm nicht perfekt war, dann sein leerer Blick, aus dem entweder abgrundtiefer Fatalismus, Idiotie oder die verheerende Wirkung von Drogen sprach.
Zwei der Männer traten vor und packten den Jungen von hinten an beiden Armen. Sie führten ihn bis zum Rand des Mundus und zwangen ihn, sich hineinzuknien. Furia reichte der Frau in dem gefleckten Fell etwas. Es war ein Messer, das archaisch wirkte wie das Ritual selbst, so urzeitlich wie die nackten Körper der Frauen.
Ich wußte, ich hätte etwas tun sollen, aber ein Gefühl völliger Sinnlosigkeit lähmte mich. Diese Frauen würden beim Anblick eines einzelnen, mit einem Dolch bewaffneten Mannes nicht schreiend davonlaufen. Vielleicht hatten die Männer sogar Waffen griffbereit. Und wenn der benommene junge Mann nicht weglaufen wollte, wäre ein Versuch, ihn davon zu tragen, der Gipfel der Tollkühnheit. Wenn es ein kleines Kind gewesen wäre, hätte ich den Dummheiten jener Nacht möglicherweise eine weitere hinzugefügt und einen Rettungsversuch unternommen. Das rede ich mir zumindest ein.
Furia streckte, die Handflächen nach unten, ihre Hände über dem Kopf des Jungen aus und begann einen langsamen, amelodiösen Gesang anzustimmen. Die anderen Frauen fielen ein; die Männer hielten die Hände vor die Augen und wichen langsam aus dem Feuerschein in das Dunkel der Bäume zurück.
Der junge Mann wurde jetzt nur noch von der alten Priesterin gehalten, die mit der linken Hand in sein Haar gegriffen hatte.
Er schien bereit, sein Schicksal widerstandslos hin zu nehmen, und ich fragte mich, ob man auch den Opferstier mit Drogen betäubt hatte. Furia klatschte dreimal in die Hände und rief dreimal laut einen Namen, den ich hier nicht wiedergeben will.
Manche Dinge darf man nicht aufschreiben.
Furia strich mit der Spitze ihres Stabs über den Hals des Jungen, und die andere Priesterin stieß das Messer in den angezeigten Punkt. Es drang viel leichter ein, als ich erwartet hätte, ganz bis zum Knauf. Dann zog sie es wieder heraus, und den versammelten Gläubigen entwich ein kollektiver Seufzer, als das Blut aus der Halsschlagader in den Mundus sprudelte.
Das Ganze ereignete sich in unheimlicher Stille, das einzige Geräusch war das Plätschern des Blutes auf die im Boden verborgenen Steine. Vielleicht sickerte es ja tatsächlich bis ganz in die Unterwelt und wurde von irgendwem wieder aufgesogen.
Es schien für eine unendlich lange Zeit aus dem Hals des Jungen zu sprudeln, bis sein Herz schließlich zu schlagen aufhörte, und er vornüber sackte, blaß und schon jetzt aussehend wie ein Schatten. Dann stürzten einige Frauen nach vorn, ergriffen den Leichnam und schleuderten ihn kraftvoll auf den brennenden Scheiterhaufen.
Kalter Schweiß klebte an meinem Körper, und ich wußte, daß ich in etwa so blaß aussehen mußte wie das bedauernswerte Opfer. Ich hatte schon eine ganze Menge Tode mit angesehen, aber dieser war anders. Dem üblichen Gemetzel auf Straßen, Schlachtfeldern und in der Arena ging das einzigartige Grauen eines Menschenopfers ab. Wut, Leidenschaft und Grausamkeit, sogar kaltblütiges Kalkül sind nichts verglichen mit einem Mord, bei dem die Götter zur Teilnahme angerufen werden.
Ich war so gebannt von dem, was sich vor mir abspielte, daß ich dem, was in meinem Rücken passierte, keinerlei Aufmerksamkeit mehr widmete.
Als meine Knöchel gepackt wurden, fiel ich vor Schrecken fast in Ohnmacht. Einen Moment lang glaubte ich, daß eine durch das Blutopfer herbeigerufene Unterweltgottheit mich in die Tiefe zerren wollte. Dann spürte ich weitere Hände auf meinem Körper. Ich warf mich herum, riß meinen Dolch aus der Scheide und stieß zu. Lorbeerblätter streiften mein Gesicht, als ich hochgerissen wurde, und ich hörte einen tiefen
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