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Toedliche Saturnalien

Toedliche Saturnalien

Titel: Toedliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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diesem Morgen wahrscheinlich ungleich weniger fertig als der Rest der Bevölkerung. Ich ließ mir heißes Wasser bringen und rasierte mich ausnahmsweise selbst. Heute schien mir kein guter Tag, sich den zitternden Händen eines öffentlichen Barbiers anzuvertrauen.
    Angekleidet und frisch, wenn gleich unfachmännisch rasiert, betrat ich die ungewohnt ruhigen Straßen der Stadt. Rom wirkte halbverlassen und sah aus wie nach einem mittleren Krieg. Es war das reinste Wunder, daß im Verlauf der turbulenten Feierlichkeiten keine zerstörerischen Brände ausgebrochen waren. Überall lagen reglose Körper herum wie die Leichen überrannter Verteidiger, nur daß sie weitaus lauter schnarchten.
    Weggeworfene Masken, Mützen und Kränze verunzierten Straßen und öffentliche Bauwerke.
    Einer Eingebung folgend, nahm ich die fabricische Brücke zur Tiber-Insel, weil Asklepiodes an zahlreichen Vormittagen im Tempel des Aeskulap anzutreffen war, so daß ich mir den weiten Weg zu der Ludus, wo er praktizierte, möglicherweise sparen konnte. Die prachtvolle Brücke war vier Jahre zuvor vom Tribun Fabricius erbaut worden, der ansonsten nichts zuwege brachte, mit diesem Geschenk an die Stadt jedoch die Unsterblichkeit seines Namens gesichert hatte; relative Unsterblichkeit jedenfalls. Vermutlich wird in hundert Jahren eine andere Brücke dort stehen, die den Namen eines anderen Politikers trägt, und dann wird man den armen alten Fabricius vergessen. Auch die Bettler, die normalerweise sämtliche Brücken Roms verstopfen, fehlten an diesem Vormittag.
    Vermutlich schliefen sie wie alle anderen ihren Rausch aus.
    Es war ein für die Jahreszeit außergewöhnlich warmer Tag, und Kinder bevölkerten die Stützpfeiler der Brücke und sprangen, vor Vergnügen kreischend, ins kalte Wasser oder angelten mit langen Ruten. Während ihre Eltern die Exzesse der vergangenen Nacht ausschliefen, hatten die Kinder Roms einen zusätzlichen, aufsichtsfreien Feiertag.
    Ich blieb mitten auf der Brücke stehen und genoß die Aussicht. Nach Süden und Osten drängte sich die Stadt hinter ihren uralten Mauern. Mit ihren auf den Hügeln im Sonnenlicht glänzenden Tempeln sah sie aus wie eine Heimstatt der Götter. Die spielenden Kinder verliehen der Szenerie die idyllische Aura eines pastoralen Poems. Ein trügerischer Schein. Aber ich konnte mich noch daran erinnern, wie auch ich als Kind am Tag nach den Saturnalien hier gespielt hatte. Damals war die Brücke aus Holz gewesen, aber ansonsten war alles unverändert. Dort unten im Wasser hatte unser eigentlicher Feiertag stattgefunden, weil es für uns zwischen Adeligen und gemeinen Bürgern, Sklaven, Freien oder Fremden ohnehin keinen Unterschied gab.
    Diese grausame und bittere Sichtweise der Erwachsenen mußten wir erst noch lernen.
    Aber vielleicht verklärte meine Erinnerung die Erlebnisse auch nur. Kinder haben ihre eigenen Grausamkeiten und Schrecken. Als ich meinen Weg fortsetzte, war ich mir zumindest sicher, daß ich nicht zum Dichter geboren war.
    Der Tempel des Aeskulap ist von einer Erhabenheit, wie sie nur ein Tempel auf einer Insel ausstrahlen kann. Der majestätische Bau thronte würdevoll über den eigenartig schiffsförmigen Mauern, die die längliche, spitz zulaufende Insel, komplett mit Ramme und Ruder ebenfalls aus Stein, umfriedeten. Der Tempelgarten gehörte zu den prächtigsten, die man in und um Rom zu sehen bekam. Die extra aus der Levante importierten Zedern waren besonders beeindruckend.
    Als ich ankam, beendeten Priester und Tempeldiener gerade eine Vormittagszeremonie, in der traditionellerweise auch ein Hahn geopfert wurde. Das Ritual wurde nach griechischer Überlieferung und völlig auf griechisch abgehalten, in dem Dialekt von Epidaurus, von wo der Gott nach Rom gekommen war. Ich entdeckte Asklepiodes unter den Teilnehmern und wartete das Ende der Zeremonie ab.
    »Äh, Decius«, sagte er, als er mich sah, »ich nehme an, du kommst wegen eines Mittels für den Tag danach?«
    »Keineswegs«, erklärte ich stolz.
    »Du lernst also endlich Mäßigung«, vermutete er. »Der Aufenthalt in Rhodos muß dir doch gutgetan haben.«
    »Da seien die Götter vor. Nein, ich war letzte Nacht einfach zu beschäftigt für irgendwelche Ausschweifungen. Ich komme, um mit dir über meine Ermittlung zu sprechen.«
    »Wunderbar«, sagte er emphatisch. »Und ich hatte schon Angst, es könnte ein langweiliger Tag werden. Komm mit.« Wir gingen nach draußen und fanden eine Bank unter einer der

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