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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts John Maddox
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feiernde Hexen auf einem so riesigen Gelände finden? Doch es war eine friedliche Nacht und ein angenehmes Gefühl, über eine zivilisierte römische Straße zu laufen, eine Nebenstraße und trotzdem gepflastert, sich im weichen Mondlicht dahinziehend wie ein endloses Band. Die Luft roch angenehm nach frisch gepflügter Erde, weil jetzt die Wintersaat ausgebracht wurde.
    Ich beschloß, meine Mission aufzugeben und einfach die wohlriechende Nacht zu genießen, so nahe bei der Stadt und doch weit entfernt von ihrem hektischen Getriebe. Dann lief es mir eiskalt den Rücken herunter, als ich ganz in der Nähe den gespenstischen Schrei einer Eule vernahm und mich daran erinnerte, daß Schleiereulen und Hexen mit demselben Wort bezeichnet wurden: Striga.
    Sollten sich die Etrusker mit den Eingeweiden von Tieren beschäftigen, wir Römer wußten, daß die machtvollsten Omen Blitze, Donner und Vögel waren. Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber nachts schwindet mein Skeptizismus und kehrt erst morgens zurück.
    Der Schrei war von links gekommen, und ich ging weiter, bis ich eine Abzweigung entdeckte, die in diese Richtung führte. Der Weg war nicht gepflastert, aber gut ausgetreten und so alt, daß er bereits zwei bis drei Fuß tiefer als das Feld lag. Es braucht viele, viele Generationen nackte und beschuhter Füße, um einen Pfad so auszutreten, denn für Bauernkarren war er zu eng. Es mußte ihn schon lange vor Romulus, vielleicht sogar vor den Etruskern gegeben haben, als nur einige Urvölker unser Land bewohnten.
    Der Pfad führte mich durch die gepflügten Felder weg von der Straße. Der Boden wurde unebener, hier und da waren aus Felsbrocken, die die Pflüge zutage gefördert hatten, kleine Haufen errichtet worden. Hin und wieder waren einzelne, dolchförmige Steine aufgestellt, wie man sie auf manchen Inseln in entlegenen Teilen des Imperiums sehen kann, wo uralte Völker Götter verehrt hatten, deren Namen wir nicht einmal mehr kannten. Ich hatte nicht erwartet, solche Steine unweit der Stadt zu finden, aber vielleicht spielten mir das Mondlicht und meine Einbildungskraft auch einen Streich. Vielleicht waren es einfach große Steine, zu unförmig, um sie beiseite zu schaffen, so daß die Bauern sie aufgerichtet hatten, damit sie weniger Platz wegnahmen.
    Ich erreichte einen flachen Hügel mit einer dichten Baumgruppe. Mir war, als würde ich ganz entfernt eigenartige, rhythmische Geräusche hören, ein Pochen wie von kleinen Trommeln, möglicherweise begleitet vom Gesang einer menschlichen Stimme. Ich vergewisserte mich, daß mein Dolch locker in seiner Scheide und mein Caestus griffbereit saßen, bevor ich weiterging. Der Klang der Trommeln vermischte sich mit Flötentönen, und die rhythmischen Gesänge wurden von lauten, scheinbar spontanen Schreien unterbrochen. Wenn es sich dabei um Worte handelte, waren sie in einer Sprache, die ich nicht kannte. Der Rhythmus der Musik war seltsam primitiv und aufwühlend, er rührte an Schichten tief unterhalb meiner römischen Kultiviertheit wie der Anblick der aufgerichteten Steine.
    Von der Baumgruppe schimmerte ein schwaches, rötliches Licht herüber. Die Bäume waren keine kultivierten Obstbäume, auf diesem geweihten Fleck gab es keine Äpfel oder Oliven. Vor allem waren es uralte, knorrige Eichen mit rauher Borke, in ihren Stämmen hausten Eulen, zwischen ihren Wurzeln hatten Schlangen ihr Versteck. Die trockenen, gezackten Blätter zerbröselten unter meinen Füßen wie Pergament oder die verwesten Überreste einer ägyptischen Mumie.
    Von den Ästen der Bäume hingen sonderbare Objekte aus Federn, Bändern und anderen undefinierbaren Materialien. Windspiele klimperten so leise, daß man sie bei dem Lärm, der von der kleinen Lichtung in der Mitte des Wäldchens herüberwehte, kaum hören konnte.
    Ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und wagte kaum zu atmen. Schritt für Schritt arbeitete ich mich zwischen den Bäumen voran, das Halbdunkel angestrengt nach Wachposten absuchend. Die Spanier waren immer zu faul gewesen, Wachen aufzustellen, aber vielleicht waren italische Hexen vorsichtiger. Die Worte von Urgulus fielen mir wieder ein: Es gab einen Mundus auf dem geweihten Boden der Hexen. Derartige Pforten in die Unterwelt waren äußerst selten und galten als heilig, weil sie die einzige Möglichkeit waren, mit den Toten und den Göttern der Unterwelt in Kontakt zu treten. Es gab einen Mundus in Rom und einige weitere im Süden der italischen Halbinsel.

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