Toedliche Spiele
in den Topf, tausche noch einmal die Steine aus, lege den Deckel drauf und lasse das Ganze schmoren.
Ich habe ein paar Hinweise auf Wild entdeckt, aber mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, Peeta allein zu lassen, um zu jagen. Deshalb stelle ich eine Handvoll Fallen und hoffe auf Glück. Ich frage mich, wo die anderen Tribute sind, wie sie jetzt, da ihre wichtigste Nahrungsquelle in die Luft geflogen ist, zurechtkommen. Wenigstens drei von ihnen, Cato, Clove und Fuchsgesicht, waren darauf angewiesen. Nur Thresh wahrscheinlich nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass er wie Rue wissen muss, wie man sich von der Erde ernährt. Ob sie gegeneinander kämpfen? Suchen sie uns? Vielleicht hat uns schon einer ausfindig gemacht und wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt für einen Angriff. Die Vorstellung treibt mich zurück in die Höhle.
Im Schatten der Felsen liegt Peeta ausgestreckt auf dem Schlafsack. Obwohl sich seine Miene etwas aufhellt, als ich hereinkomme, sehe ich ihm an, wie elend er sich fühlt. Ich lege ihm einen kühlen Lappen auf die Stirn, doch der Lappen wird heiß, sobald er seine Haut berührt.
»Möchtest du etwas?«, frage ich.
»Nein danke«, sagt er. »Ach doch, warte. Erzähl mir eine Geschichte.«
»Eine Geschichte? Was für eine?«, sage ich. Ich bin keine große Geschichtenerzählerin. Es ist so wie mit dem Singen. Aber hin und wieder schwatzt Prim mir eine ab.
»Irgendwas Aufheiterndes. Erzähl mir vom glücklichsten Tag, an den du dich erinnern kannst«, sagt Peeta.
Ich gebe einen Laut von mir, der halb Stöhnen, halb verzweifeltes Schnauben ist. Eine fröhliche Geschichte? Das ist ja noch schwieriger, als eine Suppe zu kochen. Ich durchforste mein Gedächtnis nach schönen Erinnerungen. Die meisten haben mit Gale und der gemeinsamen Jagd zu tun, aber ich glaube nicht, dass das bei Peeta oder den Zuschauern gut ankommt. Bleibt noch Prim.
»Habe ich dir schon mal erzählt, wie ich an Prims Ziege gekommen bin?«, frage ich. Peeta schüttelt den Kopf und sieht mich erwartungsvoll an. Also fange ich an. Aber vorsichtig. Denn meine Worte werden in ganz Panem übertragen. Auch wenn die Leute zweifellos schon längst eins und eins zusammengezählt haben und wissen, dass ich illegal jage, möchte ich weder Gale noch Greasy Sae oder der Metzgerin und nicht einmal den Friedenswächtern, die bei mir einkaufen, schaden, indem ich öffentlich verkünde, dass auch sie das Gesetz brechen.
Dies ist die wahre Geschichte, wie ich das Geld für Prims Ziege Lady beschafft habe. Es war ein Freitag Ende Mai, der Tag vor Prims zehntem Geburtstag. Gleich nach der Schule gingen Gale und ich in den Wald. Ich wollte unbedingt genug Tauschware haben, um Prim ein Geschenk besorgen zu können. Neuen Stoff für ein Kleid vielleicht oder eine Haarbürste. Mit unseren Fallen hatten wir zwar reichlich Beute gemacht und im Wald spross das Gemüse üppig aus dem Boden, aber mehr als unsere übliche Freitagsausbeute hatten wir trotzdem noch nicht zusammen. Auf dem Rückweg war ich enttäuscht, obwohl Gale sagte, am nächsten Tag würden wir bestimmt mehr Glück haben. Wir ruhten uns eine Weile an einem Bach aus, als wir ihn sahen. Einen jungen Bock, der Größe nach wahrscheinlich ein Jährling. Sein Geweih war gerade erst durchgestoßen, es war noch klein und mit Samt überzogen. Bereit zur Flucht, unschlüssig, was er von uns halten sollte, mit Menschen nicht vertraut. Wunderschön.
Nicht mehr ganz so schön mit den beiden Pfeilen im Körper, einer im Genick, der andere in der Brust. Gale und ich hatten gleichzeitig geschossen. Der Bock versuchte zu fliehen, strauchelte aber, und ehe er sichs versah, hatte Gale ihm mit dem Messer schon die Kehle durchgeschnitten. Einen Moment lang tat es mir leid, etwas so Zartes und Unschuldiges zu töten. Doch dann knurrte mein Magen beim Gedanken an das zarte, unschuldige Fleisch.
Ein Hirsch! Nur drei haben Gale und ich je erlegt. Der erste, eine Ricke, die sich irgendwo eine Verletzung am Bein zugezogen hatte, zählte eigentlich nicht. Wir wollten das tote Tier auf dem Hob anbieten, aber das Tohuwabohu, das wir damit auslösten, sollte uns eine Lehre sein. Die Leute boten auf einzelne Körperteile und versuchten sogar eigenmächtig Stücke abzuhacken. Bis Greasy Sae einschritt und uns mitsamt dem schon arg geschundenen Reh zur Metzgerin schickte. Hier und da waren Stücke aus dem Fleisch gerissen, das Fell war ganz durchlöchert. Obwohl alle anständig bezahlten, war der Wert der Beute
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