Tödliche Täuschung
ertönte vom Fluss her das Klagen eines Nebelhorns.
Einer der Wachtmeister flüsterte ein Gebet.
Hester hob die Hand ins Licht der Laterne, betrachtete etwas, das darauf lag, und zeigte es schließlich Loomis.
»Glas!«, wisperte sie, und ihre Stimme versagte beinahe.
»Gema hlenes Glas. Es ist immer noch da, nach zwanzig Jahren!
Unter der Stelle, wo früher der Magen war. Sie hat ihm gemahlenes Glas ins Essen gemischt. Deshalb ist er also verblutet!«
Monk brach der Schweiß aus.
»Wir haben sie!«, sagte Loomis leise und erleichtert. »Küster , lassen Sie das Grab bewachen, wie es jetzt ist. Die Leiche darf nicht berührt werden - das käme der Mittäterschaft bei einem Mord gleich! Haben Sie mich verstanden?«
Hester legte das Glas sehr vorsichtig dorthin zurück, wo sie es gefunden hatte.
Der Küster nickte. Die Polizisten traten mit hocherhobenen Laternen näher heran.
Loomis wischte sich die Hände an seiner Hose ab. Vielleicht schwitzte auch er.
Hester drehte sich um und ging zu Monk. Loomis und die anderen entfernten sich nach und nach. Sie ließen nur eine einzige Laterne da, mit der sie ihnen folgen konnten.
»Wir haben es geschafft«, sagte sie leise. Er musste sich vorbeugen, um ihre Hände zu ergreifen, die sich wie Eis anfühlten.
»Ja, wir haben es geschafft«, antwortete er im Flüsterton.
»Was Ihnen zu verdanken ist.«
Sie wollte sich von ihm lösen, aber er hielt sie fest. Es war nicht der richtige Zeitpunkt und gewiss auch nicht der passende Ort, aber die Worte kamen ihm wie von selbst über die Lippen.
»Hester?«
»Was?« Sie zitterte vor Kälte.
Er hätte sie gern fester an sich gezogen, aber er wusste, dass sie das nicht zulassen würde.
»Hester, wollen Sie mich heiraten?«
Sie schwieg so lange, dass er schon glaubte, sie werde ihm nicht antworten oder habe ihn vielleicht gar nicht gehört. Er wollte seine Frage gerade wiederholen, als sie zu sprechen begann.
»Warum?«, fragte sie und blickte zu ihm auf, obwohl sie im Licht der Laterne, die neben ihnen auf dem Grabstein stand, kaum sein Gesicht sehen konnte.
»Weil ich Sie liebe, natürlich!«, sagte er und hatte plötzlich Angst, dass sie ihn zurückweisen würde. »Und weil ich nie mehr ohne Sie sein möchte«, fügte er hinzu.
»Ich glaube, das ist ein guter Grund«, sagte sie sehr leise. »Ja, ich will.« Und sie leistete nicht den geringsten Widerstand, als er sie enger an sich zog und sie küsste, wieder und wieder.
Buch
Killian Melville ist jung, gut aussehend und sehr erfolgreich - kein Wunder, dass Mütter mit Töchtern im heiratsfähigen Alter ihn gern als Gast in ihrem Haus sehen. Doch der freundschaftliche Umgang mit der jungen Zillah, bildhübsche Tochter seines reichen Auftraggebers und Förderers Barton Lambert, wird für den Stararchitekten zum Verhängnis. Der Liebling der viktorianischen Society sieht sich plötzlich einer Klage wegen Bruchs des Eheversprechens ausgesetzt. Killian wendet sich daraufhin Hilfe suchend an Sir Oliver Rathbone und beteuert, er habe nie die Absicht gehabt, Zillah, der er sich eher wie einer Schwester verbunden fühle, zu heiraten; auch habe er nie um ihre Hand angehalten. Offensichtlich hat Zillahs Mutter das gute Einvernehmen zwischen den jungen Leuten falsch interpretiert und heimliche Hochzeitsvorbereitungen getroffen; nun fühlt sie sich in der Familienehre getroffen und hetzt den mit allen Wassern gewaschenen Anwalt Wystam Sacheverall auf Killian, damit dieser doch noch in die Ehe einwilligt.
Killian weigert sich jedoch standhaft und trotz Sir Oliver Rathbones Warnung, dass ihm nach den herrschenden Konventionen kaum etwas anderes übrig bleibe, wolle er sich nicht völlig ruinieren, lässt er es auf einen Prozess ankommen. Auf dessen Höhepunkt beschuldigt Sacheverall den heiratsunwilligen Killian, eine homosexuelle Beziehung zu unterhalten. Killian ist damit gesellschaftlich ruiniert. Noch am selben Abend findet man ihn tot in seiner Wohnung, gestorben an einer Belladonnavergiftung. Niemand zweifelt an einem Selbstmord. Doch dann kommt es zum Eklat - der Gerichtsmediziner bestätigt zwar den Tod durch eine Überdosis Belladonna, eröffnet aber dem Gericht, dass Killian in Wirklichkeit kein Mann, sondern eine Frau war. Die Sensation ist perfekt und die Londoner Society in heller Aufruhr. Sir Oliver Rathbone, der nicht an einen Selbstmord glaubt, bittet seinen Freund William Monk, einige diskrete Nachforschungen anzustellen. Und schon bald macht der Privatdetektiv
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