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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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starrte vor sich hin. Sein schmales, ausdrucksvolles Gesicht ließ
darauf schließen, daß, woran immer er dachte, es keine angenehmen Gedanken
waren.
    „Wie geht es ihr?“ fragte ich.
    Meine Stimme brachte ihn zurück in die Gegenwart.
„Gehören Sie zur Familie?“
    „Nein. Ich bin die Anwältin der Familie. Außerdem
bin ich mit den Alvarados und mit Consuelos Ärztin, Charlotte Herschel,
befreundet. Ich habe Consuelo hierhergebracht, als die Wehen plötzlich
einsetzten.“
    „Ich verstehe. Es geht ihr nicht gut. Ihr Blutdruck
fiel so stark ab, daß ich Bedenken hatte, sie könnte sterben. Deshalb holten
wir das Kind, um uns darauf konzentrieren zu können, sie zu stabilisieren. Sie
ist jetzt bei Bewußtsein und ihr Zustand relativ stabil, aber trotzdem noch
kritisch.“
    Malcolm kam zurück. „Mrs. Alvarado möchte sie nach
Chicago ins Beth Israel bringen lassen. Ich bin der Meinung, sie sollte nicht
verlegt werden. Was denken Sie, Doktor?“
    Burgoyne schüttelte den Kopf. „Wenn Blutwerte und
Blutdruck vierundzwanzig Stunden stabil bleiben, kann man darüber reden. Aber
jetzt nicht. Entschuldigen Sie bitte, ich muß noch nach einer anderen Patientin
sehen.“
    Mit hochgezogenen Schultern ging er hinaus. Wie
immer die Krankenhausverwaltung zur Behandlung von Consuelo stand, Burgoyne
hatte sich ihre Lage eindeutig zu Herzen genommen.
    Malcolm dachte ebenso. „Er hat sein Bestes gegeben.
Aber die Situation da oben war mehr als schwierig. Man platzt da mitten hinein
und soll sofort mit Sicherheit wissen, was vorgegangen ist. Schwierig
jedenfalls für mich. Ich wünschte, Lotty wäre hier.“
    „Ich glaube nicht, daß sie mehr als du hätte tun
können.“
    „Sie hat mehr Erfahrung. Sie kennt mehr Tricks. Das
macht immer einen Unterschied.“ Er rieb sich müde die Augen. „Ich muß meinen
Bericht diktieren, solange ich noch alles im Kopf habe... Kannst du dich um
Mrs. Alvarado kümmern, bis die Familie hier ist? Ich habe heute nacht
Bereitschaftsdienst und muß zurück. Lotty kommt, wenn sich Consuelos Zustand
verschlechtert, ich habe mit ihr gesprochen.“
    Nicht gerade glücklich stimmte ich zu. Ich wollte
weg aus dem Krankenhaus, weg von dem toten Mädchen, das meinen Namen trug, von
den Gerüchen und Geräuschen einer Technik, die dem Leiden der Menschen
gegenüber gleichgültig ist. Aber ich konnte die Alvarados nicht im Stich
lassen. Ich begleitete Malcolm bis zum Parkplatz, gab ihm seine Autoschlüssel
und erklärte ihm, wo sein Wagen stand. Zum erstenmal seit Stunden fiel mir
Fabiano ein. Wo war der Vater des Babys? Wie groß wäre seine Erleichterung,
wenn er erführe, daß das Kind tot war, daß er sich keine Arbeit zu suchen
brauchte?
     
    3   Der stolze Vater
     
    Nachdem Malcolm weggefahren war, blieb ich eine
Weile am Eingang der Notaufnahme stehen. Diesem Flügel des Krankenhauses lag
offenes Land gegenüber, abgesehen von einem Neubaugebiet in einer Viertelmeile
Entfernung. Wenn man die Augen zusammenkniff, war es möglich sich einzubilden, man
stünde in der freien Prärie. Ich blickte hinauf zum Abendhimmel. Die
sommerliche Dämmerung mit ihrer angenehmen Wärme ist mir die liebste Tageszeit.
    Schließlich ging ich müde den Korridor zurück zum
Wartezimmer. Kurz davor kam mir Dr. Burgoyne entgegen. Er trug jetzt
Straßenkleidung und ging mit gesenktem Kopf, die Hände in den Hosentaschen.
    „Entschuldigen Sie“, sprach ich ihn an.
    Er sah auf, starrte mich unsicher an, bis er mich
wiedererkannte. „Ach ja, die Anwältin der Alvarados.“
    „V. I.
Warshawski. Es gibt da etwas, das ich gern
wissen möchte. Mir wurde heute nachmittag gesagt, daß Consuelo hier nicht
behandelt wird, weil man der Ansicht ist, sie gehöre in ein staatliches
Krankenhaus. Stimmt das?“
    Er war bestürzt. Auf seinem lebhaften Gesicht konnte
ich beinahe die Worte „unterlassene Hilfeleistung“ erscheinen sehen.
    „Als sie eingeliefert wurde, hoffte ich, es würde
uns gelingen, ihren Zutand zu stabilisieren, damit sie nach Chicago gebracht
und von ihrem eigenen Arzt behandelt werden könnte. Es stellte sich schnell
heraus, daß das nicht möglich war. Es würde mir nicht im Traum einfallen, ein
bewußtloses Mädchen, das in den Wehen liegt, über ihre finanzielle Lage zu befragen.“
Er lächelte gequält. „Wie ein Gerücht aus dem Operationssaal bis in die
Verwaltung vordringt, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Aber es kommt immer
wieder vor. Und zum Schluß herrscht ein großes Durcheinander... Darf

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