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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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frei, der nur abgelenkt hätte. Der Raum war von vernünftiger Größe, nicht zu beengt, aber auch nicht so groß, dass sie sich von der Außenwelt abgeschnitten fühlten. Sie fand ihn gut geeignet. »Don, wo ist mein Büro?«
    Merrick wies auf das Ende des Raums, wo zwei Türen in die angrenzenden Büros führten. »Suchen Sie sich eins aus. Sie stehen beide leer.«
    Und beide boten kaum eine Möglichkeit, sich zurückzuziehen, dachte sie. Sie wählte das mit den Fenstern nach draußen und wandte sich an Merrick, der ihr gefolgt war. »Rufen Sie jemanden an, der hier für das Gebäude zuständig ist. Ich möchte Rollos für das Innenfenster haben.«
    Merrick grinste. »Sie wollen wohl nicht, dass wir mitkriegen, wenn Sie Patience spielen, was?«
    »Eigentlich mag ich FreeCell lieber. Ich richte mich hier kurz ein. In einer halben Stunde haben wir eine Besprechung.«
    »Alles klar.« Er verschwand und ließ sie allein. Für sie war es eine Erleichterung. Sie schaltete den Computer an. Schon Sekunden danach sah sie Evans mit Akten beladen näher kommen. Sie sprang auf, um die Tür zu öffnen.
    »Was ist das denn?«, fragte sie.
    »Ungelöste Fälle – die neuesten. Sie wurden gestern Nachmittag in der Pause angeliefert. Daran sollen wir arbeiten, während wir auf den nächsten großen Fall warten.«
    Carol spürte, wie etwas in ihr in Gang kam. Endlich konnte sie sich auf etwas Konkretes konzentrieren. Etwas, das vielleicht die Dämonen vertreiben oder sie wenigstens eine Weile zur Ruhe bringen würde.

    Aidan Hart betrachtete den ihm gegenübersitzenden Mann mit einem gewissen Argwohn. Er wusste, dass viele seiner Kollegen meinten, er, Hart, sei mit siebenunddreißig Jahren zu jung für die Position des medizinischen Leiters des Bradfield Moor Secure Hospital, aber er hatte so viel Vertrauen in sein eigenes Können, dass er ihre Bedenken damit abtun konnte, sie beruhten nur auf Enttäuschung und Neid. Er wusste, dass in beruflicher Hinsicht keiner von ihnen mit ihm konkurrieren konnte.
    Aber mit dieser letzten Stellenbesetzung war es etwas anderes. Dr. Tony Hill war für seine ausgezeichneten Leistungen bekannt – aber auch für seine schwierige Art. Die einzigen Vorschriften, die er beachtete, waren solche, die ihm wichtig erschienen. Er war keiner, der gern im Team arbeitete, es sei denn, er hätte sich selbst das Team ausgesucht. Zu gleichen Teilen brachten ihm frühere Kollegen treue Ergebenheit oder Wut entgegen. Als Tony Hill sich für die halbe Stelle an seiner Klinik beworben hatte, war Aidan Harts erste Reaktion gewesen, dies abzulehnen. Am Bradfield Moor gab es nur Platz für einen Star – ihn selbst.
    Dann hatte er es sich noch einmal überlegt. Wenn Hill nur eine halbe Stelle innehatte, konnte man seine Arbeit sorgfältig in gewisse Bahnen lenken. Seine Erfolge konnten so genutzt werden, dass dabei mehr Anerkennung für Hart selbst, den visionären medizinischen Leiter, herauskam, der den Außenseiter gezähmt hatte. Eine verlockende Aussicht. Er konnte sich als der Mann geben, der den Überflieger Tony Hill in die klinische Praxis zurückgebracht hatte. Er hatte sich gesagt, dass die Patienten zwar aus Hills berühmter Gabe der Einfühlsamkeit Vorteil ziehen könnten, dass aber Aidan Hart selbst eigentlich am meisten profitieren würde.
    Und diese Überlegungen fand er bestätigt, als er Hill persönlich kennenlernte. Aidan Hart wusste alles darüber, wie man sich anzieht, um Eindruck zu machen, aber innerhalb von Sekunden war ihm klar, dass Hill diese Lektion wohl verpasst haben musste. Dieser kleine Typ mit dem schlechten Haarschnitt, der ihm da in braunen Schuhen zu schwarzer Hose und einem grünlichen Tweedjackett mit durchgescheuerten Ärmeln gegenübersaß, würde in dem Teich, in dem Hart sich bewähren wollte, keine großen Wellen machen. Hill schien eher verlegen über das Aufsehen, das seine Zusammenarbeit mit der Polizei erregt hatte, und betonte, er wolle sich nie wieder der Öffentlichkeit ausgesetzt sehen. Was immer er in der Zukunft als Profiler tun würde, werde sich hinter verschlossenen Türen und weit entfernt von hier abspielen. Hills Eifer, wieder in die Routinearbeit klinischer Praxis einzutreten, war fast mitleiderregend.
    Damals war Hart voll selbstgefälliger Zufriedenheit gewesen und fand, mit Tony Hill ein Risiko einzugehen, sei die optimale Entscheidung. Irgendwie waren ihm die Klugheit seines scharfen Blicks und das unübersehbare Charisma, das dem Mann wie ein Anzug

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