Toedliche Worte
auf den Leib geschneidert schien, entgangen. Hart war sich im Unklaren, wie das passiert sein konnte. Es sei denn, dass Hill es verborgen hatte, um absichtlich einen ganz anderen Eindruck zu erwecken, was ein sehr beunruhigender Gedanke war. Schließlich hielt Hart große Stücke auf seine eigenen analytischen Fähigkeiten. Es passte ihm nicht, dass er diesmal vielleicht von einem Meister übertrumpft worden war, der die Kunst, das menschliche Verhalten auszulegen, besser beherrschte als er selbst. Er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob jetzt er das neueste Forschungsobjekt dieser verblüffenden blauen Augen war, die jede Einzelheit seiner Körpersprache festzuhalten schienen. Er mochte den Gedanken nicht, in der Gegenwart seines neuen Mitarbeiters auf jedes Wort und jede Bewegung achten zu müssen. Aidan Hart hatte seine Geheimnisse und wollte nicht, dass Tony Hill sich ihnen zu eingehend widmete.
Er hielt sich nicht für paranoid. Aber Hill war erst seit einer Stunde im Gebäude und hatte sich bereits ein Meisterstück geleistet. Nachdem er von der Aufnahme eines neuen Patienten gehört hatte, saß er jetzt, einen Fuß lässig auf das Knie des anderen Beins gelegt, Hart gegenüber und begründete unwiderlegbar, wieso er die Gelegenheit haben sollte, als Erster mit dem Patienten zu reden. Es war ein Fall, der zu Veröffentlichungen in anerkannten, von angesehenen Kollegen gelesenen Zeitschriften führen konnte, und schon erhob Hill Anspruch auf einen Teil der Arbeit, den Hart für sich beanspruchte. »Schließlich«, sagte Hill, »macht es doch Sinn, dass ich den Fall übernehme, da es um einen Neuzugang geht. So brauche ich keine schon vorliegenden Ergebnisse durchzugehen. Und niemand braucht aus der Haut zu fahren, weil ich seinen Patienten übernehme.«
»Für den Anfang ist der Fall ziemlich extrem«, sagte Hart und tat so, als sei er besorgt. »Und Sie hatten ja eine Weile nichts mit der praktischen Arbeit zu tun.«
Tonys Mund verzog sich zu einem kurzen Lächeln. »Extreme sind gerade das, was mir am meisten liegt, Aidan. Und ich habe ja sehr direkte Erfahrungen damit, wenn Menschen aus Gründen töten, die von den meisten Leuten als Wahnsinn abgetan würden.«
Hart rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her und breitete die Hände aus, als weise er die Verantwortung von sich. »Also gut. Ich freue mich darauf, Ihren ersten Bericht zu sehen.«
Gegen die Wandtafel gelehnt wartete Carol, bis ihr neues Team Platz genommen hatte. Dann trat sie näher und setzte sich auf die Kante eines Schreibtischs. »Bevor wir zur Sache kommen, muss ich etwas klären«, sagte sie und strengte sich an, lockerer zu klingen, als sie sich fühlte. »Ich weiß, wie sich in unserem Beruf Gerüchte verbreiten, und nehme an, dass Sie alle irgendeine Version der Ereignisse gehört haben, in die ich kürzlich verwickelt war.« Sie sah an der Art und Weise, wie sämtliche Männer plötzlich etwas Interessanteres zum Anschauen fanden, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
Don Merrick schaute zu Boden. »Niemand hier hat Interesse an Tratsch«, murmelte er. »Nur an den Ergebnissen. Und was Sie erreicht haben, spricht für sich selbst.«
Ein Lächeln huschte über Carols Gesicht. »Danke, Don. Aber wenn wir als Gruppe reibungslos zusammenarbeiten wollen, müssen wir das in einer offenen, ehrlichen Atmosphäre tun. Was mir passiert ist, ist so gelaufen, weil es Geheimnisse und Lügen gab. Ich bin nicht bereit, noch einmal unter solchen Bedingungen zu arbeiten.« Sie warf einen Blick in die Runde, sah, dass alle zuhörten, und fuhr fort.
»Ich wurde für einen verdeckten Einsatz ausgewählt, bei dem ich in eine sehr bedrohliche Lage geriet. Weil ich von meinen Vorgesetzten nicht entsprechend informiert worden war, konnte ich mir den Rückweg nicht offen halten. Und die Folge war, dass ich vergewaltigt wurde.«
Sie hörte, wie jemand scharf die Luft einzog, konnte aber nicht sehen, wer es war.
»Ich erwarte nicht, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Was mir geschehen ist, wird die Art und Weise, wie ich meine Arbeit tue, nicht beeinflussen. Allerdings hat es mich in Sachen Loyalität sehr empfindlich gemacht. Diese Gruppe kann nur richtig funktionieren, wenn wir alle die Teamarbeit als oberste Priorität ansehen. Wenn also jemand damit ein Problem hat, ist jetzt der Zeitpunkt, um Versetzung zu bitten.« Sie schaute ihre Leute an. Stacey und Evans schienen überrascht, aber die anderen nickten zustimmend.
Carol
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