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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sagte Carol sanft. »Da draußen sind noch ein halbes Dutzend Kripobeamte, die jetzt leiden, weil die Fälle, die sie nicht lösen konnten, an uns weitergegeben wurden. Ich wäre gar nicht überrascht, wenn wir den Fall Tim Golding gerade deshalb bekommen hätten, um uns damit auf Trab zu halten. Obwohl ich also voll und ganz glaube, dass Sie alles getan haben, was Sie konnten, werden wir an diesen Fall doch genauso wie an die anderen herangehen.«
    Merrick blickte finster. »Aber trotzdem, Ma’am …«
    »Es gibt Leute in dieser Organisation, die sich wahrscheinlich freuen würden, wenn sie feststellen könnten, dass wir versagen. Wenn Sie sich deswegen aufregen, Don, spielen Sie denen in die Hände.« Carol warf ihm ihr liebenswürdigstes Lächeln zu. »Ich verlasse mich auf Sie, sonst wären Sie nicht hier. Aber wir können alle mal was übersehen, egal, wie sicher wir sind, dass wir alles untersucht haben. Ich will deshalb nicht, dass diejenigen, die diesen Fall wieder aufrollen, alle Gedanken für sich behalten, weil sie fürchten, Sie zu verletzen. Wie ich schon sagte: keine Geheimnisse oder Lügen.«
    Carol wartete die Reaktion nicht ab. Sie ging in ihr Büro und ließ die Tür offen stehen. War dies das erste Anzeichen, dass jemand ihre Gruppe und indirekt ihren Polizeipräsidenten zugrunde richten wollte? Sie wusste, dass sie dieser Tage zu leicht zum Misstrauen neigte, aber sie wollte lieber zu vorsichtig sein, als sich vergnügt und ahnungslos einem feindlichen Pfeil auszuliefern. Wenn man wirklich erledigt werden sollte, war das schließlich keine Paranoia.
    Kaum hatte sie sich hinter ihren Schreibtisch gesetzt, da stand Don Merrick mit einer Akte in der Hand unter der Tür. »Kann ich Sie mal kurz sprechen, Ma’am?«
    Carol wies mit dem Kopf auf den Besucherstuhl. Don setzte sich und hielt die Akte vor die Brust. »Tim Golding«, sagte er.
    »Ich höre, Don. Geben Sie her.«
    Er presste sie noch fester an sich. »Es ist nur so, dass …«
    »Ich weiß. Wenn irgendjemand seine Nase in Ihren Fall reinsteckt, wäre es Ihnen lieber, dass ich es wäre statt einer von den Neuen.« Carol streckte die Hand aus.
    Zögernd rutschte Don auf dem Stuhl nach vorn und hielt ihr den Aktenordner hin. »Wir hätten nicht mehr tun können«, sagte er. »Wir sind einfach immer wieder gegen eine Wand gelaufen. Wir hatten nicht einmal so viel Information für Tony Hill, dass er ein ordentliches Profil machen konnte. Er sagte selbst, es sei Geldverschwendung. Aber ich konnte mir einfach nichts mehr vorstellen, was wir noch weiter versuchen sollten. Deshalb ist der Fall so bald als ungelöst aufgegeben worden.«
    »Ich hab mich darüber schon gewundert. Scheint tatsächlich zu einem sehr frühen Zeitpunkt zurückgestellt worden zu sein.«
    Don seufzte. »Wir kamen einfach nicht weiter. Zwei unserer Beamten behalten ihn noch im Auge und versorgen die Presse, wenn sie es wieder mal versucht. Aber seit mindestens einem Monat ist aktiv nichts getan worden.« Dons Qualen waren ihm anzusehen, von seinen traurigen Hundeaugen bis zu den hängenden Schultern.
    Damit rief er Carols Mitgefühl hervor. »Überlassen Sie es mir, Don. Ich rechne nicht damit, dass ich etwas finden werde, was Sie übersehen haben.«
    Mit reuigem Gesicht stand er auf. »Die Sache ist, Ma’am, ich erinnere mich noch, dass ich mir während der Arbeit an dem Fall wünschte, Sie wären da gewesen. Nur damit ich Ihnen mal alles hätte schildern können. Sie hatten immer ’ne besondere Gabe, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen.«
    »Wie sagt man doch, Don? Man soll sich nichts allzu sehr wünschen, sonst geht der Wunsch vielleicht in Erfüllung.«

    Tony Hill beugte sich vor und schaute angestrengt durch das Beobachtungsfenster. Ein gepflegter Mann mit beginnender Glatze saß auf dem am Boden befestigten Stuhl. Er war wohl um die fünfzig, obwohl durch seinen gelassenen Gesichtsausdruck weniger Falten in seinem Gesicht hervortraten. Einen flüchtigen Moment erinnerte er Tony seltsamerweise an einen Kinderlutscher, der fest in Zellophan verpackt und dessen Stiel mit einem Klebstreifen umwickelt war.
    Seine Ruhe war übernatürlich. Die meisten Patienten, die Tony kennenlernte, hatten Probleme mit ihrer Unrast, von Ruhe konnte kaum die Rede sein. Sie zuckten, zappelten, rauchten eine Zigarette nach der anderen und machten sich an ihrer Kleidung zu schaffen. Aber dieser Mann – er sah auf seine Notizen –, dieser Tom Storey war von fast

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