Toedliches Erbe
witzige Erwiderung auf der Zunge gelegen hatte, so schluckte er sie beim Anblick ihres Gesichtsausdrucks herunter.
»Sind Sie sicher?«
»Wir sollten Hilfe holen.«
»Wäre es nicht vernünftiger zu telefonieren?«
»Natürlich. Ich bin zu aufgeregt.«
»Nein, das sind Sie nicht. Das Telefon ist nämlich abgemeldet.
Wir müssen laufen und Hilfe holen. Los.«
»Meinen Sie nicht«, sagte Kate, »Sie sollten besser hier warten, bis ich jemanden aufgetrieben habe, der uns helfen kann?«
»Warum denn das, um Himmels willen? Der Leiche wird schon keiner etwas tun. Vielleicht liegt sie schon seit Tagen dort. Oder seit Wochen.«
»Und wenn die Flut kommt?«
28
»Die Gezeiten kann ich nicht aufhalten, meine Liebe. Vielleicht sollte ich für Sie im Haus nach einem Whisky oder einem Brandy suchen.«
»Nein, ich muß fahren. Um Gottes willen, Max, beeilen Sie sich!«
29
Drei
S tunden später – oder Tage oder Wochen? vielleicht waren es auch nur Minuten? – saßen Kate und Max auf dem Rücksitz eines Polizeiautos und wurden von Cecilys Haus zum Polizeirevier gebracht. Kates Wagen, den man nach Gott weiß was durchsucht hatte oder noch durchsuchen wollte, folgte ihnen; am Steuer saß ein junger Polizeibeamter. Man konnte natürlich auch mal auf die Uhr sehen.
Kate tat es. Es waren vielleicht zwei Stunden vergangen, seit sie wie eine verdammte Bergziege die Felsen hinuntergeklettert war. Wäre sie doch oben am Ufer bei Max geblieben, wie man das von einer angesehenen Literaturprofessorin mittleren Alters erwarten konnte.
Kate und Max waren mit der Polizei an den Ort des Geschehens zurückgekehrt. Einige der Beamten hatten eine Wette abgeschlossen, ob man sie wegen eines schlechten Scherzes, der Rettung eines Ver-unglückten oder einer Halluzination gerufen hatte. Doch dann hatten sie tatsächlich eine Leiche gefunden, und würde es der Dame und dem Herrn etwas ausmachen, oben im Haus zu warten, bis die Leiche geborgen sei. Anschließend werde man sich gemeinsam und vorschriftsgemäß auf den Weg zum Polizeirevier machen. In der Wartezeit wurden sie von einem Polizisten ausgefragt, der jedoch mit keiner ihrer Antworten zufrieden schien. Max’ Identität hatte sich noch leicht feststellen lassen, aber alles andere ergab zumindest für diesen kurz angebundenen, phantasielosen Kleinstadtpolizisten aus Maine keinen Sinn. Sie waren ganz spontan nach Maine gefahren? Sie waren nicht miteinander verwandt? Sie waren Freunde und Kollegen? Das konnten sie ihm nicht weismachen, sagte sein Benehmen. Sie hatten nichts im Schilde geführt, als sie herkamen? Sie hatten nur nachschauen und sich nach einem Schlüssel für die Akten umsehen wollen? Berichte über Landstreicher und Herumtreiber?
Die Polizei hatte nichts davon gehört, und wenn sie nichts wußte, wer dann? Was für Nachbarn? Hatten sie den Schlüssel für die Akten denn gefunden? Ach, sie hatten beschlossen, einen Blick auf das Meer zu werfen, und dann erst zu suchen? Hatten sie erwartet, das Meer werde den Schlüssel an Land spülen? Er hatte sie seinen Sarkasmus und seine Zweifel eher versteckt spüren lassen, als die Dinge beim Namen zu nennen, aber Kates Phantasie arbeitete auf vollen Touren und brauchte kaum mehr als eine hochgezogene Augenbraue, um loszulegen.
30
Währenddessen erging sich Max in einer Flut von Selbstbeschul-digungen. Er hätte nie hierherfahren, sie nie herbringen dürfen. Er, Max Reston, hatte einen spontanen Entschluß gefaßt, und das waren nun die Folgen! Man könnte den Fall fast als eine Warnung nehmen.
Daß Max, dem Weitblick und Vernunft zur zweiten Natur geworden waren, sich wie einer dieser rebellischen Studenten aufgeführt haben sollte, fand er schrecklicher, als er in Worte fassen konnte. Dennoch sagte er es. Er war noch immer Max genug, um sich nicht nur in Reue zu suhlen, sondern zusammenzureißen und Kate zu beruhigen.
Er versuchte, sie zu einem Brandy oder noch einem Glas von dem hervorragenden Weißwein zu überreden. Egal, was der Polizist davon hält, hatte Max gesagt. Er hielt sie offenbar sowieso für üble Leute, würde aber noch rechtzeitig erfahren, mit wem er es zu tun hatte. Inzwischen konnte man nur sein Bestes tun, um sein Gleich-gewicht wiederzuerlangen. Mit Max’ Hilfe gelang das Kate einigermaßen.
Als sie im Polizeirevier angekommen waren, erhielt Kate die Erlaubnis, Reed anzurufen. Er riet ihr, der Polizei gegenüber seine Beziehungen zum Büro des Bezirksstaatsanwalts zu erwähnen, und bot ihr an,
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