Tödliches Farbenspiel
herausgetreten waren. »Das hier und das nebenan
sind sogenannte San Francisco Sticks. Manchmal werden sie auch Eastlakes
genannt, nach dem Architekten, der den Stil eingeführt hat. Das Wort ›Stick‹
sagt es ziemlich genau — geradlinig und streng. Wie ein Stock. Diese Häuser
haben eckige Erkerfenster, ein relativ flaches Dach, viele stilfremde
Verzierungen wie Blumen oder Rosetten.«
Ich warf Charmaine einen Blick zu. Sie
beobachtete mich aufmerksam, als wäre sie persönlich daran interessiert, daß
ich das alles auch aufnahm.
Wintringham ging mit flottem Schritt
den Bürgersteig entlang. »Diese beiden Stick-Häuser wurden etwa
achtzehnhunderteinundachtzig gebaut. Vergleichen Sie sie mit den letzten beiden
Häusern, den italienisierten.«
Ich musterte die Häuser; das eine, wo
ich French angetroffen hatte, war restauriert, das andere nicht. »Die Linien sind
weniger streng«, sagte ich, »die Seiten der Erkerfenster sind abgeschrägt. Aber
das Dach ist flach wie bei den Stick-Häusern.«
»Aber es hat ein Sims«, warf Charmaine
ein. »Und die Veranden haben korinthische Säulen.«
Wintringham strahlte. Ich überlegte, ob
er der Freund war, den Eleanor van Dyne so beschimpft hatte. Aber hatte Johnny
Hart ihn nicht einen »Schwulen« genannt? Davon merkte man jedenfalls nichts,
aber die Erfahrung hatte mich gelehrt, daß das bei vielen so war.
»Die italienisierten Häuser«, bemerkte
Wintringham auf der Treppe, die zu seinem Büro- und Wohnsitz hinaufführte,
»waren die frühesten viktorianischen Häuser in San Francisco. Diese beiden
stammen aus den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Das weiß ich,
weil in diesem hier unsere Familie lebte, ehe das Queen-Anne-Haus gebaut
wurde.«
Wir traten durch die Flügeltür von der
Säulenveranda ins Innere des Hauses. Larry French stand immer noch — oder
wieder — hinter dem Schreibtisch im Vorsaal.
»Aha, ich sehe, sie hat euch gefunden«,
stellte er grinsend fest. »Gute Arbeit, Miss McCone.«
Ich unterdrückte mit Mühe ein
Zähneknirschen.
»Hör mal, David«, fuhr French fort,
»wir sollten schleunigst nach Fort Mason rausfahren. Die Ausstellung macht um
eins auf.«
»Paul ist schon dort«, erwiderte
Wintringham. »Der kann sich fürs erste um den Stand kümmern.«
»Paul?« prustete French verächtlich und
fügte dann mit übertrieben gespielter Verlegenheit hinzu: »Oh, entschuldige
vielmals, David. Ich wollte deinen Süßen nicht schlechtmachen.«
Wintringham wirkte nicht einmal
verstimmt. Er war vermutlich bereits immun gegen French. »Hat dir schon mal
jemand gesagt, daß du ein ausgesprochen unangenehmer Zeitgenosse bist, Larry?«
fragte er milde.
French blieb von Wintringhams Kommentar
gleichfalls ungerührt. »Aber sicher. Die ehrenwerte Miss McCone findet das ganz
bestimmt, aber sie ist zu höflich, es zu sagen. Richtig, Miss McCone?«
»Jetzt, wo Sie es erwähnen...«
Wintringham wandte sich mir zu. »Lassen
Sie sich von Larry nicht ärgern. Provokation ist sein Hobby.«
»Aber im Ernst, David«, fuhr French
fort, »ich fahr jetzt rüber zur Ausstellung und du«, fügte er zu Charmaine
gewandt hinzu, »setzt am besten deinen hübschen Wackelarsch in Bewegung und
kommst mit.«
Charmaine warf den Kopf zurück, daß das
schwarze Haar flog.
»Ich hab gesagt, ab durch die Mitte.«
»Ich fahre mit meinem eigenen Wagen,
besten Dank.« In starrer Haltung ging sie durch den Flur davon.
»Weiber«, brummte French. Er nahm einen
Schlüsselring vom Schreibtisch und ging hinaus.
Wintringham stieß einen Seufzer aus.
»Gehen wir hinein.« Er führte mich in ein sehr schön eingerichtetes großes
Zimmer mit Samtsofas, Marmortischen und einem Kristallüster. »Ich muß mich noch
einmal für Larry French entschuldigen. Ich habe ihn mir nicht seines Charmes wegen
als Geschäftspartner ausgesucht.«
»Warum denn?«
»Wegen seines Geldes, was sonst.«
Wintringham ließ sich ziemlich
ungraziös in einen graziösen Sessel fallen, und ich setzte mich auf die Couch.
»Das Zimmer ist wunderschön«, bemerkte
ich mit einem Blick auf den großen offenen Kamin und die schweren Vorhänge.
»Danke. Mein Freund Paul Collins und
ich wohnen und arbeiten hier, deshalb haben wir es uns so schön wie möglich
gemacht.«
»Hat Charmaine die Innenausstattung
besorgt?«
»Ja. Sie ist gut, nicht wahr?«
»Sehr.«
»Eleanor van Dyne ist natürlich anderer
Meinung. Nur weil Charmaine sich nicht bis aufs kleinste Detail an den
Originalstil
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