Toedliches Fieber
die Bedingungen dieser Heirat umso besser für ihn ausfallen würden, je schöner sie spielte. Die stolze Brautgabe, die Cassius mit Sicherheit erwartete, zahlte er gerne angesichts der zukünftigen Macht, die dieser Bund versprach. Cassius’ Leute saßen an den richtigen Stellen und er konnte hilfreich einschreiten, wenn es für Domitus einmal unangenehm wurde. Diese Heirat war jeden Dupondius wert.
Dass Livia von diesem Beweggrund nichts wusste, scherte Domitus nicht.
Besiegt
St. Magdalene’s
2012 n. Chr.
Ich gebe es zu – die Sache mit der Band machte echt Spaß. Wir probten zweimal pro Woche und hatten bald zehn Songs auf Lager, die wir richtig gut konnten. Ich hatte mich an der Gitarre deutlich verbessert – kein Wunder, Astrid war eine strenge Lehrerin. Sie dagegen machte in Latein keinerlei Fortschritte. Trotzdem bekam sie gute Noten, weil ich die Übersetzungen für sie übernahm. Sie hatte einfach keinen Nerv dafür.
»Das braucht kein Mensch.«
»Wieso sollte man es weniger brauchen als zum Beispiel Musik?«
»Mein Gott, Eva! Kann sein, dass du es noch nicht gemerkt hast, aber Latein ist eine tote Sprache.«
»Weiß ich, aber …«
»Keine Diskussion! Der Stoff ist seit zweitausend Jahren überholt. Dafür ist das Leben viel zu kurz!«
Wahrscheinlich hatte sie recht. Jedenfalls war das Leben wirklich zu kurz, um deswegen zu streiten. Deshalb übersetzte ich eben weiter Vergil und überließ es ihr, sich um diewichtigen Dinge des Lebens zu kümmern – zum Beispiel das Downloaden der Songtexte von Livid Turkey.
»Hier, ich bin fertig.« Ich warf den Stift hin und gähnte.
Sie überflog den Text. »Super, dann können wir jetzt eine Stunde proben. Morgen haben wir einen wichtigen Gig.«
Ich erstarrte. »Was hast du gesagt?«
»Gig. Morgen. Im Gemeinschaftsraum. Los jetzt.«
Sie wollte mich aus ihrem Zimmer drängen, aber ich blieb bockig stehen.
»Äh, Moment, Astrid. Sag das noch mal.«
»Wie oft soll ich es dir denn noch sagen?«
Das war in meinem Plan nicht vorgesehen. Die Songs einzuspielen und Gitarre zu üben, war gut und schön. Aber von einem Auftritt war keine Rede gewesen, und dann auch noch vor Publikum. Vor genau den Leuten, denen ich seit Monaten aus dem Weg ging.
»Ohne mich, Astrid.« Ich versperrte ihr mit verschränkten Armen die Tür.
Astrid hörte gar nicht zu. Sie hing an ihrem Handy.
»Sadie, komm zu mir. Sofort.«
Zwei Minuten später zerrten die beiden mich ins Studio. Widerstand war zwecklos. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich eine ganze Nacht Zeit hatte, mir zu überlegen, wie ich aus der Sache wieder herauskam.
Doch am nächsten Morgen hatte ich immer noch keinen Plan. Der Tag fing nicht gut an. Ich wollte mir gerade mein Frühstück holen, als sie mich schon wieder belagerten.
»Wozu macht man denn Musik, wenn nicht um aufzutreten?«
»Wo ist das Problem, Eva? Wir sind richtig gut!«
»Das macht voll Spaß!«
»Jetzt stell dich nicht so an! Das ist DIE Chance!«
Bis zum Abendessen hatte Astrid kapiert, dass ich mich nach dieser Chance nicht gerade verzehrte, und unsere halbe Stufe dazu gebracht, sämtliche Ausgänge der Schule zu versperren. Außerdem hing sie wie eine Klette an mir.
Gegen neun schleppte sie mich über den Innenhof zum Gemeinschaftsraum. Ich verlor den Mut. Der Raum war brechend voll. Sadie stand schon auf der Bühne und schraubte die Becken an. Die Mikrofone und Gitarren standen bereit.
»Wann habt ihr denn aufgebaut?«, zischte ich.
»Ich habe mit Sadie mittags einen Soundcheck gemacht. Mit dir wäre es natürlich viel leichter gewesen, aber dein Nudelauflauf war dir ja wichtiger.«
Als sie mich dann auf die Bühne zerrte, war ich so sauer, dass die Angst vergessen war. Ich schäumte vor Wut. Leider passte Astrid das gut in den Kram, weil wir als Erstes ihren aggressiven Song über einen Stalker zum Besten gaben.
Als wir damit fertig waren, hatte ich meinen Zorn rausgelassen. Es half, dass niemand uns mit matschigen Bananen bewarf. Im Gegenteil, die Zuschauer applaudierten erstaunlich begeistert.
Ich wollte gerade die ersten Töne des zweiten Songs singen, als ich Ruby entdeckte. Sie zerrte Mia am Arm zur Tür. Demonstrativ. Die Botschaft kam an.
Ich biss mir auf die Lippe, atmete durch und verdrängte sie aus meinen Gedanken. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich mich ganz auf die Musik konzentrieren und mir vorgaukeln,es gäbe gar kein Publikum. Das funktionierte so gut, dass ich völlig überrascht war, als
Weitere Kostenlose Bücher