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Toedliches Fieber

Toedliches Fieber

Titel: Toedliches Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dee Shulman
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als einziges groß genug war, um es dort aufzustellen. Irgendwie konnte ich sie dazu überreden, mich beim Aufbau zusehen zu lassen. Auf diese Weise gewöhnten sich die Lehrerdaran, dass ich im Labor war, während sie die Funktionsfähigkeit des Mikroskops testeten. So machte mich das neue Mikroskop gleichzeitig glücklich und hielt mich beschäftigt.
    Und doch blieb immer noch viel zu viel Zeit übrig. Ich konnte noch so lange im Labor bleiben, noch so aufmerksam am Unterricht teilnehmen und noch so viel an meinem Schreibtisch arbeiten  – zum Grübeln blieb mir Zeit genug. So war das eben, seit Ruby aus meinem Leben verschwunden war.
    Doch dann fand ich unverhofft Verschiedenes, das mich ablenkte.
    Ein Zufall kam mir zu Hilfe. Eines Tages wollte ich Karl nach Latein aus dem Weg gehen und schlich im Schutz einer Mädchengruppe aus dem Klassenzimmer. Dabei bekam ich mit, dass sie zum Vorsprechen in den Theaterraum gingen. Ich begleitete sie und ließ mich überreden, ebenfalls vorzusprechen.
    Das führte dazu, dass ich jetzt an der Schulaufführung teilnahm: Hamlet! Auf einmal musste ich Text auswendig lernen und zu Proben gehen. Normalerweise waren immer viele Leute beteiligt und es blieb wenig Zeit für Gespräche unter vier Augen. Bald bedeuteten die Proben mir mehr als reine Ablenkung. Es gefiel mir wirklich. Man kam rein, zog die Schuhe aus und Trainingssachen an und alles andere spielte keine Rolle mehr. Man wurde nicht dauernd beurteilt und auch die ständigen Anspielungen hörten auf, wahrscheinlich weil Dr. Kidd, der Schauspiellehrer, sonst durchgedreht wäre. Das Tollste daran war aber, dass ich für eine Zeit lang jemand anders sein konnte.
    Dann kam Astrid eines Mittags, als wir alle zur Probe aufbrachen, lässig auf mich zu und sagte: »Du kannst echt gut singen – spielst du auch was?«
    »Du meinst – ein Instrument?«
    »Genau.«
    »Nur ein bisschen Gitarre.«
    Sie grinste. »Super! Dann können wir später ein bisschen jammen.«
    »Okay, warum nicht.«
    Später war eins meiner Lieblingswörter, weil es eine Absicht erklärte, ohne konkret zu werden. Es konnte genauso gut in einer Stunde wie in zwölf Jahren bedeuten. Freundlich und offen. Ich benutzte es selbst dauernd, um mich vor irgendwas zu drücken. Deshalb machte ich mir keine Gedanken, als Astrid meinte, wir sollten später jammen – bis sie mir beim Abendessen auf die Schulter schlug.
    »Kommst du jetzt mit oder was?«
    Astrid stand mit einer Gigbag auf dem Rücken und Sadie, einer kleinen Blondine aus meinem Philosophiekurs, vor mir. Das war’s dann wohl mit der Zwölfjahretheorie.
    »Äh, ich habe nur meine Akustikgitarre hier«, stammelte ich.
    »Macht nichts, im Studio gibt es eine Strat.«
    »Und … ich bin nicht besonders gut.«
    »Vom Rumsitzen wirst du auch nicht besser. Komm mit, wir haben nicht ewig Zeit.«
    Also brachte ich mein Tablett weg und folgte ihnen widerwillig über den Innenhof in eins der Musikstudios.
    »Wow!«
    Der Raum war groß, schalldicht und komplett ausgestattet: Schlagzeug, Verstärker, Mikrofone – alles da.
    Sadie ging direkt zum Schlagzeug und fing an zu trommeln, während Astrid eine rote Stratocaster von einem Gitarrenständer nahm und sie mir überreichte. Dann zog sie den Reißverschluss ihrer Gigbag auf und holte einen schwarzen Gibson-Bass heraus.
    Astrid war unglaublich gut am Bass. Als sie ihre Finger mühelos über das Griffbrett gleiten ließ, verkroch ich mich in eine Ecke und versuchte halbherzig, die Strat zu stimmen. Das konnte nur furchtbar enden.
    »Äh … Astrid, ich glaube nicht …«, krächzte ich.
    »Fang, Eva«, sagte sie und warf mir ein Blatt mit einem Songtext zu.
    Ich biss mir auf die Lippe und las ihn durch. Sie hatte die Akkorde mit Bleistift über die Wörter geschrieben. Hmmm, das ging eigentlich … vielleicht konnte ich das doch …
    Sie spielte kurz die Melodie und Sadie gab den Beat vor. Kurz darauf jammten wir wirklich und am Ende des Abends hatten wir zwei Songs durchgespielt und ich hatte tatsächlich auch noch dazu gesungen.
    »Es gefällt mir, wie du singst, Eva«, sagte Astrid, als wir zu unseren Zimmern zurückgingen.
    »Das kann ich jedenfalls besser als Gitarre«, murmelte ich.
    »Dann tu doch was.«
    »Klar, Übung macht den Meister, wie?«
    »Nein, das meine ich nicht. Du hast einfach keine gute Technik. Du solltest ein paar Stunden nehmen.«
    Sie hatte recht. Ich hatte mir das Gitarrespielen praktischmit einem Buch selbst beigebracht und war nicht

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