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Toedliches Fieber

Toedliches Fieber

Titel: Toedliches Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dee Shulman
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hielt –, war es damit sicher vorbei.
    Ich wollte meine Verzweiflung abschütteln. Auf eine Art konnte ich Ruby geradezu dankbar sein: weil sie zugeschlagen hatte, ehe ich mich noch tiefer in diese sinnlose Schwärmerei verrennen konnte. Hatte ich nicht eigentlich genau gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Ruby ihn über meine gesammelten Fehler aufklärte?
    Ich stöhnte. Morgen musste ich all diesen Leuten ins Gesicht sehen.

Generalprobe
    St. Magdalene’s
2013 n. Chr.
    Irgendwann war ich doch eingeschlafen, denn am nächsten Morgen wurde ich von meinem Wecker geweckt. Ich war am Verhungern. Mist. Wahrscheinlich, weil ich das Abendessen ausgelassen hatte. Aber konnte ich mich dem Speisesaal stellen? Nach dem kleinen Rückfall von gestern fühlte ich mich ziemlich zittrig. Doch ich wusste aus Erfahrung, dass es nicht gut war, das Frühstück ausfallen zu lassen.
    Ich wog noch Pro und Kontra ab, als meine Tür aufflog. Ich kannte nur einen Menschen, der nichts auf die schlichte Höflichkeit des Anklopfens gab.
    »Astrid.«
    »Wie geht es der Patientin heute Morgen?«, grölte sie.
    Ich zuckte zusammen. »Die Patientin kann noch sehr gut hören.«
    »Das ist gut. Nicht, dass du heute Abend deine Einsätze verpasst.«
    »Oh mein Gott! Die Generalprobe von Hamlet !«
    »Komm, wir füttern die böse Sirene. Das wird ein langer Tag.«
    »Oh, Astrid, kannst du mir nicht was mitbringen? Ich schaffe das nicht.«
    »Eva! Was bist du denn plötzlich für ein Schisser? Mach dich bitte nicht lächerlich – und falls du dir wegen einer gewissen bescheuerten Blondine ins Hemd machst, kann ich dir sagen, dass sie ihr Frühstück schon runtergeschlungen und den Speisesaal verlassen hat. Im Augenblick bist du also vor ihr sicher.«
    Das munterte mich ein wenig auf. Seufzend zog ich mich an und ging mit Astrid in den Innenhof. Auch wenn ich es eigentlich nicht eilig hatte, in den Speisesaal zu gelangen, war es schon wieder so kalt, dass wir rennen mussten, wenn wir nicht erfrieren wollten. Astrid hatte damit kein Problem.
    Im Speisesaal war es erstaunlich voll, schätzungsweise weil es so kalt war, dass keiner wieder nach draußen wollte. Als wir hereinkamen, verstummte das morgendliche Gequatsche auf einmal. Es wurde ganz still. Oh Gott, warum war ich nur gekommen? Ruby hatte wahrscheinlich die ganze Schule vorgewarnt: »Achtung! Gefährliche Nymphomanin!«
    Ich erstarrte und hielt mich am Türrahmen fest. Konnte ich nicht doch noch weglaufen, ohne dass Astrid es merkte?
    Ich hatte mich schon fast umgedreht, als jemand rief: »Super Gig gestern Abend!«
    Dann fing ein Junge an, einen unserer Songs zu singen, und klopfte dazu mit dem Löffel auf den Tisch. Sofort stimmten viele andere Löffel mit ein und ein paar Leute sangen ganz schrecklich falsch mit. Astrid und ich standen grinsend an der Tür. Als das Lied zu Ende war, klatschte der ganze Speisesaal.
    Beim Frühstück hielt ich den Blick fest auf den Teller gerichtet, es sei denn, jemand sprach mich direkt an. Und selbst dann vermied ich es, meinen Blick zur Seite schweifen zu lassen. So schaffte ich es, Seth komplett auszublenden, und wusste nicht einmal, ob ich ihm erfolgreich aus dem Weg ging oder ob er gar nicht da war.
    Bis zum Ende des Vormittags entspannte ich mich allmählich. Ich hatte eine Doppelstunde Reine Mathematik, Angewandte Mathematik und Philosophie gehabt  – alles Fächer, die Seth freundlicherweise nicht belegt hatte.
    In Philosophie hatte Dr. Isaacs eine Debatte zwischen Will und Sadie angesetzt, die Marx’ und Nietzsches Ansichten zur Religion vertreten sollten. Sie argumentierten so gut, dass Dr. Isaacs überzog und ich zu spät zu Biologie kam.
    Ich schlich leise zu einem Platz ganz hinten und versuchte, mich an das Thema der letzten Stunde zu erinnern. Das hätte eigentlich nicht schwer sein dürfen, doch dann sah ich Seth in der zweiten Reihe. Ruby klebte an ihm. Von meinem Platz konnte ich ihn gut beobachten, ohne dass es auffiel.
    Es war verblüffend, wie still er sitzen konnte. Ich betrachtete rasch die Rücken der anderen, überall zuckte und bewegte sich etwas. Ruby wickelte ihr Haar um den Finger, Amit stützte sich erst auf die eine und dann auf die andere Hand, während Rob ständig sein Gewicht verlagerte und vor sich hinkritzelte. Seth dagegen saß ruhig da, mit geradem Rücken. Wie ein Läufer, der auf den Startschuss wartet. Ruhig, aber gespannt. Ich sah mir die ganze Stuhlreihe an. Seth hatte viel breitere Schultern als

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