Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
Wahrscheinlich entschuldigt, denn die Anwesenheit bei der Montagssitzung war Pflicht. Auf dem Konferenztisch lag die aktuelle Ausgabe des Wiener Boten, umgeben von Konkurrenzblättern. Die Zeitschriften wurden abwechselnd von den Redakteuren quergelesen, die Artikel mit denen des eigenen Mediums verglichen. Dabei stellten sie sich immer wieder dieselben Fragen: Hatte die Konkurrenz bessere Informationen, waren die Beiträge womöglich genauer recherchiert?
Die Fenster im Raum waren weit geöffnet. Drei Journalisten standen davor, zogen ein letztes Mal gierig an ihren Zigaretten, bliesen den Rauch ins Freie und dämpften dann hastig die angefangenen Glimmstängel in den Aschenbechern auf dem Fensterbrett aus. David war Nichtraucher und hatte, als die Debatte um rauchfreie Büros begann, sofort die gesamte Redaktion zur Nichtraucherzone erklärt. Zum Leidwesen jener Kollegen, die gern ihre Geschichten umgeben von blauem Dunst in den PC hämmerten. Sarah war froh über Davids Entscheidung, denn auch sie konnte den stinkenden Glimmstängeln nichts abgewinnen.
» Was haben wir?«, fragte David und sah beiläufig in die Runde. Alle nahmen Platz und holten ihre Unterlagen hervor.
Damit hatte die Redaktionssitzung begonnen.
Sarah hörte nur mit einem Ohr zu. Von ihr erwartete man weder Ideen noch dass sie sich sonst irgendwie einbrachte, nur, dass sie der Sitzung schweigend beiwohnte, um danach einer Abteilung zugeteilt zu werden.
Doch dieser Sitzungstag sollte anders verlaufen als sonst.
» Wir brauchen noch etwas für die Wochenendbeilage « , sagte Gruber. » Nicht die übliche Promischeiße oder Modekram. Ich hätte gern wieder einmal eine echte Reportage, etwas zu lesen.« Er schaute sich im Raum um.
» Wo ist Hilde?«
Abrupt wandten sich die Blicke der Anwesenden dem leeren Stuhl zu.
» Ihr Auto steht auf dem Parkplatz hinterm Haus«, sagte ein Kollege von der Sportredaktion.
Gruber musterte Sarah streng, so als wäre sie allein dafür verantwortlich, dass Hilde Jahn nicht auf ihrem Platz saß. » Sarah, du arbeitest doch im Moment hauptsächlich für Hilde, oder?«
» Ähm.« Sarah räusperte sich. » Zum Teil.«
» Was heißt zum Teil?« Sein Kopf fuhr herum. » Herbert!«
» Hilde meinte …«
» Verdammt«, unterbrach Gruber den Chef vom Dienst und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Dann sprang er aus seinem Sessel auf, durchquerte den Raum und griff nach dem Hörer des Telefons, das auf einem Beistelltisch neben der Tür des Konferenzraumes stand. Er drückte auf zwei Nummern. Ein internes Gespräch, registrierte Sarah. Von ihrem Platz aus hatte sie nicht sehen können, welche beiden Zahlen er gedrückt hatte, Hildes Durchwahl oder die Klappe des Portiers.
» Ist Hilde Jahn schon im Haus?« Gruber lauschte mit gerunzelter Stirn. Sarah musterte ihren Chef. Sein hellblaues Hemd hing lässig über dem Bund seiner Jeans. Dazu trug er dunkelblaue Docker Sneakers. Legere Kleidung bedeutete: kein wichtiger Termin außer Haus. Anzug und Krawatte trug er nur bei offiziellen Anlässen.
» Danke.« Er knallte den Hörer auf die Gabel, klopfte seine Hosentaschen ab. » Wer hat ein Handy dabei und Hildes Nummer eingespeichert?«
Sarah hob ihre Hand.
» Ruf sie an!«
Sarah drückte sich durch das Adressenregister, bis sie zu Hildes Nummer kam. Sie wählte. Sofort sprang die Mailbox an. » Ausgeschaltet.«
Im Konferenzsaal war es still geworden. Jeder konnte Grubers Nervosität spüren. Irgendetwas stimmte hier nicht. Der Herausgeber öffnete die Tür des Raumes. » Die Sitzung ist beendet.« Mit hochgezogenen Brauen blickte er auf die Journalisten, die sich zögernd erhoben. » Ich verlass mich auf euch! Ich will morgen keine langweiligen Dreizeiler mit großen Fotos von irgendwelchen Pseudopromis in meiner Zeitung haben. Ich will Storys, gut recherchierte Storys!«
Es kam Bewegung in die Runde.
» Herbert, Sarah. In mein Büro. Sofort.«
Mit klopfendem Herzen folgte Sarah den beiden Männern. Sie spürte, wie Adrenalin durch ihren Körper schoss. Was war hier los? Warum war Hilde Jahn nicht zur Konferenz erschienen, und warum wurde deshalb gleich die Sitzung abgebrochen? Wurde sie entlassen? Blödsinn. Es gab keinen Grund dafür. Sie war nicht Hilde Jahns Kindermädchen.
» Gabi, ich will in den nächsten Minuten keine Störung. Hilde Jahn ist die Einzige, die Sie reinschicken oder durchstellen dürfen.«
Grubers Sekretärin warf Sarah einen fragenden Blick zu. Aber die zuckte nur mit den
Weitere Kostenlose Bücher