Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
seinem Geländewagen. Irgendwo wird eine Heckklappe geöffnet, Madita auf die Ladefläche gestoßen. Das passiert außerhalb meines Blickfeldes, aber ich kann mir denken, was passiert. Alle werden wie Tiere, wie Tiger über sie herfallen und ihren Traum von der Stadt aus ihrem Körper vögeln.
Ich habe das Gefühl, schon stundenlang aus dem Fenster zu starren, obwohl es nur 20 Minuten sind, als der Anführer wieder erscheint. Seine Hand ist um Maditas Nacken gelegt, fast könnten sie ein Liebespaar sein, aber sie ist vollkommen nackt, steht barfuß schwankend im Staub, die Beine leicht eingeknickt, so als würde sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Wie ein gefangenes Tier, eine Trophäe hält er Madita dann von sich weg, umklammert aber noch immer mit eiserner Faust ihren Nacken.
Langsam lässt er seine eisigen Augen über Menschen und Häuser schweifen. Vor lauter Angst ducke ich mich hinter dem Fenster, doch er bemerkt mich nicht. Vorsichtig hebe ich wieder den Kopf, betrachte sein Gesicht, um es mir für ewige Zeiten ins Gedächtnis zu brennen. Der Pate zieht eine Pistole aus seiner Jacke, dreht sich zu seinen Männern um, die mit ihren Gewehren Männer, Frauen und Kinder zurück in ihre Häuser treiben, noch jetzt gellt mir die geisterhafte Stille des leeren Marktplatzes in den Ohren.
Madita hält er nach wie vor mit seiner Hand im Nacken fest, ihr Gesicht völlig ausdruckslos, kein Wimmern, kein Weinen – nur Schockzustand.
Schließlich wendet sich der Pate zu ihr, ganz langsam, als würde er aus einem Trancezustand aufwachen und erst jetzt bemerken, wer da an seiner Seite ist. Angewidert stößt er Madita weg und wie eine Gummipuppe sinkt sie zu Boden, er greift sie an den Haaren, zerrt sie wieder hoch, hält sie mit ausgestrecktem Arm weit von sich, so als würde ihm vor diesem Mädchen, dass er kurz zuvor noch gevögelt hat, plötzlich ekeln. Dann hebt mit der anderen Hand seine Pistole und schießt ihr mitten in die Stirn und ihr Hirn, das kurz zuvor noch an eine Zukunft gedacht hat, spritzt als grauer Schleim auf die Straße.
Wir wissen, was jetzt passiert. Wir sehen den Totenfluss und den Fährmann, der schon ungeduldig auf uns wartet, um uns nach drüben in die schwarze Welt zu führen. Trotzdem klammern wir uns panisch an das winzige Stück Hoffnung, das uns bis jetzt am Leben erhalten hat, glauben tatsächlich, dass unsere Gebete, die wir rasend, lautlos, ununterbrochen auf und ab psalmodieren, erhört werden und Gott auf unserer Seite ist. Doch Gott hat sich längst von uns abgewandt.
23. Gmunden/Linz: Der zehnte Tag
Der Rollstuhl machte ein quietschendes Geräusch, so als wären die großen Gummireifen nicht genügend geölt, als ihn die Pflegerin durch den Park Richtung Seeufer schob. Von dort hatte die Frau einen ungehinderten Blick auf den steil aufragenden Berg zur linken Seite, während sich rechts das Panorama der Stadt erstreckte. Trotz der Hitze hatte sie eine dicke karierte Wolldecke über ihre Beine gelegt. Nachdenklich blickte sie über den See, der sich dunkel und geheimnisvoll bis zu dem Gebirgszug im Hintergrund erstreckte. Es war noch früh am Morgen und deswegen waren auch keine anderen Patienten unterwegs. Die Szenerie hatte etwas von einem Postkartenidyll, eine Heile-Welt-Atmosphäre, wären da nicht diese dunklen Berghänge, die im Schatten lagen und in der dunstigen Luft bedrohlich näher zu rücken schienen.
„Danke, ich brauche Sie nicht mehr“, sagte sie und drehte ihren Kopf leicht nach hinten, um der Pflegerin ein Zeichen zu geben.
„Sie versprechen mir aber, auf den Knopf zu drücken, wenn Sie wieder in Ihr Apartment wollen, damit ich Sie zurückschieben kann, Frau Doktor“, sagte die Pflegerin bestimmt und deutete auf das Armband mit dem dicken roten Knopf, das gut sichtbar um das dürre Handgelenk geschlungen war.
„Nicht wieder so wie beim letzten Mal, dass Sie einfach hier am Ufer im Regen sitzen bleiben, sich erkälten und wir uns alle um Sie Sorgen machen!“
„Schon gut, ich verspreche es! Ich bin ja kein kleines Kind mehr“, sagte die alte Frau und winkte unkontrolliert mit ihrer Hand.
Als die Pflegerin verschwunden war, nahm sie ihre ganze Kraft zusammen, umfasste mit der linken Hand das rechte Handgelenk, um das Zittern zu stoppen, schob die Hand unter die Decke, zog nach mehrmaligen Versuchen ein elegantes, silbernes Zigarettenetui und ein passendes Feuerzeug hervor und versuchte sich trotz der unkontrollierten Bewegungen mit zitternden
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