Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
Stimmen in meinem Kopf sagen, dass die Erinnerung Kraft zum Töten gibt. Die Stimmen drängen mich ständig, die Erinnerung niederzuschreiben und diese immer wieder anzuhören und dann zu töten. Die Stimmen bestimmen, wie es weitergeht. Die Stimmen sträuben sich gegen das Vergessen und zwingen mich daran zu denken. Die Stimmen wollen, dass ich wieder töte, deshalb erinnern sie mich ständig an das austretende Gehirn, das sich wie ein grauer Kotzfleck auf der staubigen Straße ausbreitet. Die Stimmen erinnern mich an den Fangschuss, um mir einzuschärfen, dass Töten ganz einfach ist.
Es beginnt zu regnen. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit, jetzt im September 1991 ein Wolkenbruch, der sich in Sturzbächen über die halb verfallenen Häuser ergießt, für kurze Zeit den Dreck auf Wegen und Straßen, Gärten und Äckern wegspült. Doch dieser unschuldige Regen ist nur etwas für Naive, etwa für meinen Vater, meine Mutter oder für meine beiden kleinen Schwestern. Mich kann diese Idylle nicht beeindrucken. Jetzt weiß ich, dass mich mein Gefühl nie täuscht. Es hat mich auch an jenem Morgen nicht getäuscht.
Das Brummen der Motoren ist als Erstes zu hören. Robuste Geländewagen mit großen Stollenreifen, schlammbedeckt, schwarz heben sie sich auch schon aus der Ferne von dem grauen Horizont ab. Einige der Unvorsichtigen und Naiven laufen aus ihren Häusern, sind neugierig und in froher Erwartung, dass es die lange erwartete Hilfe ist, die uns Sicherheit bietet und uns vor dem Feind schützt. Ich lasse mich ganz von meinem Gefühl leiten und bleibe in der Küche zurück, auf dem zerfetzten Sofa beim Fenster, meinem Beobachtungsposten. Unser Haus ist etwas erhöht, direkt in die Felsen hineingebaut, so kann ich die Straße und den Marktplatz gut überblicken. Die gerade noch so regenglitzernde Straße durch unser Dorf ist sofort wieder schlammiggrau von den trampelnden Schritten der Bewohner. Die Wagen kommen näher, tragen keinerlei Kennzeichnung an den Seiten, die ersten Dorfbewohner bleiben stehen, verharren mitten auf der Straße. Jetzt sind sie mit einem Mal ratlos, die Hoffnung, die ihre Schritte beflügelt hat, beginnt zu schwinden.
Männer in Jagdkleidung steigen aus den schweren Geländewagen, zünden sich gegenseitig Zigaretten an, trinken aus silbernen Flachmännern, lachen und erzählen sich Anekdoten. Angeblich sind sie reiche Geschäftsmänner, die am Wochenende hier bei uns auf die Jagd gehen, nur Wildschweine zu jagen interessiert sie schon lange nicht mehr, sie finden es interessanter, auf Menschen Jagd zu machen. Einer von diesen Männern bahnt sich den Weg durch die Dorfbewohner, die wie paralysiert auf dem Marktplatz stehen und jetzt für ihre Vorfreude und Unvorsichtigkeit bitter bezahlen werden.
Da entdecke ich sie. Madita, der ich oben in den Bergen einen ersten scheuen Kuss auf die Wange gedrückt habe. Madita, dieses Mädchen, das von dem leuchtenden Neon der Großstadt schwärmt und mit mir Zukunftspläne schmiedet, wenn wir auf der Hochfläche in den Himmel blicken und sie den Kopf an meine Schulter lehnt. Ich will aufspringen, die Geröllhalde hinunterlaufen, sie aus der Menge wegziehen, im Haus verstecken und vor den Männern retten. Tatsächlich aber sitze ich wie versteinert auf meinem Sofa und starre aus dem Fenster. In diesem Augenblick trifft das Schicksal eine Entscheidung, die unwiderruflich und unausweichlich mit dem Tod verbunden ist.
Natürlich ist Madita dem Anführer sofort aufgefallen, trotz der eingefallenen Wangen und der ärmlichen Kleidung ist sie eine Schönheit und jeder Junge im Dorf hat sie bewundert, aber sie hat immer von einem Leben in der Stadt geträumt. Jetzt sind die Männer aus der Stadt zu ihr gekommen. Mit seiner behandschuhten Hand reißt der Anführer Maditas abgewetzte Trainingsjacke vom Hals weg auf, dann das T-Shirt, ich erinnere mich noch deutlich an den Aufdruck – Cosmic Dancer, darunter das Bild von Marc Bolan. Niemand wagt sich zu rühren, als Pullover und T-Shirt über ihre Schultern zu Boden fallen. Ihre Brüste sind jung und fest, die Brustwarzen aufgerichtet, der Wind streicht sanft über ihre Haut. Jetzt müssten unsere Männer eingreifen, sie vor den Jägern schützen, stattdessen blicken sie nur panisch zu Boden. Die kleinen Kinder beginnen zu weinen, natürlich ahnen sie unbewusst das Böse.
Der Anführer ist ein Mann mit eisigen Augen und dem Auftreten eines Paten. Er packt Madita an den Haaren, zerrt sie aus der Menge, hin zu
Weitere Kostenlose Bücher