Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
Knie, brüllte gegen den heulenden Sturm an: „Jetzt wirst du sterben, Tatjana Drakovic! Keine Angst, dein Tod wird perfekt inszeniert!“
Er schwang sich wieder in den Lieferwagen, stieg auf das Gaspedal, bis der Motor gequält aufheulte, dann löste er die Handbremse. Der Wagen machte einen Satz auf den Abhang zu, doch professionell wie ein Stuntman sprang Szabo rechtzeitig aus dem Sitz. Mit verschränkten Armen beobachtete er, wie der Lieferwagen den Abhang hinunterrollte, gegen einen Stein krachte, sich überschlug, knirschend auf dem Dach weiterschlitterte, um schließlich in der Dunkelheit zu verschwinden.
Murmelnd, singend, unartikulierte Laute ausstoßend, schleifte er die gefesselte Tatjana Drakovic geschäftig über den Kiesboden, zerrte sie über ausgetretene vermooste Stufen nach oben in einen verwilderten Garten. Mit einem gezielten Fußtritt trat er eine morsche Tür ein und stand in einer Kapelle, durch deren leere Fensterhöhlen der Wind heulte. Dann rollte er Tatjana Drakovic über den zersprungenen Steinboden, stieß sie mit gezielten Fußtritten immer weiter nach vorn, bis sie gegen die abgeschlagenen, scharfkantigen Stufen stieß, die zum Altar hinaufführten. Dort ließ er sie liegen.
Szabo war von einer hektischen Betriebsamkeit erfüllt und rannte suchend durch die fast leere Kapelle. Im hinteren Teil, neben dem Altar wurde er fündig. Er schleifte einen unförmigen hölzernen Betstuhl mit hoher Lehne hinter sich her, dabei redete er ununterbrochen, lauschte und klopfte sich mehrmals mit einer Hand an sein Ohr, um die Stimmen in seinem Kopf zu verjagen.
Konzentriert fixierte er Tatjana Drakovic mit Klebeband auf dem Stuhl, schleppte diesen ächzend und stöhnend mit unglaublicher Kraft durch die Kapelle und stellte ihn mitten in den verwilderten Garten. Dann zog er eine Scheibe aus der schwarzen Umhängetasche und hielt sie Tatjana Drakovic wie einen Spiegel vor ihr Gesicht:
„Dieser Deckel hat zwei Gesichter, mir rettete er das Leben, dir bringt er den Tod!“, rief er und wies mit dem Finger auf die Delle, die den gleichmäßigen Glanz der Oberfläche brach. Dann riss er sein T-Shirt hoch und deutete auf seine Narbe.
„Hier darunter ist mein Herz! Dein Vater hat damals auf mich geschossen! Peng! Peng! Der Schlag war fürchterlich, aber ich hatte den Royal-Deckel unter meinem Pullover und habe deshalb überlebt! Seit damals weiß ich, dass ich der Gott des Todes bin!“
Plötzlich verstummte er, stellte sich hinter die hohe Stuhllehne, starrte in die Dunkelheit und wartete auf den richtigen Moment, um mit der Inszenierung zu beginnen.
*
Tony Brauns Handy klingelte wie verrückt und das Display blinkte unentwegt. Er sah die Nummer von Richard Marx.
„Was gibt’s?“, schrie er in das Telefon und steckte sich einen Finger in sein anderes Ohr, um den Lärm, der durch Polizei, Security, Ärzte und geschockte Gäste ringsherum immer stärker wurde, auszublenden.
„Ich bin bei einer Website auf einen Blog gestoßen. Eine Selbsthilfeplattform für traumatisierte Opfer von bewaffneten Überfällen. Ich wollte Näheres über Tudjman und den Verkauf von Royal Steel an Igor Drakovic im Jahr 1991 herauskriegen.“
Richard klang atemlos, aufgewühlt und sehr durcheinander. „Es ist ziemlich heftig!“ Das charakteristische Klacken seines Feuerzeuges war zu hören, dann ein tiefer Lungenzug.
„Was ist heftig? Wovon redest du überhaupt?“, schrie Braun in sein Handy.
„Er wurde adoptiert!“, rief Richard.
„Wer?“, fragte Braun genervt.
„Stefan Szabo! Es gab 1991 ein Massaker in einem kleinen Dorf, in der Nähe von Kijevo. Alle Bewohner wurden ausgerottet. Szabo hat als Einziger seiner Familie überlebt und wurde von Dr. Renate Szabo, einer Chirurgin, adoptiert.“ Richard hustete laut.
„Was? Verarsch mich bloß nicht!“, brüllte ein fassungsloser Braun. „Woher weißt du das?“
„Hörst du mir nicht zu!“, schnauzte der entnervte Richard. „In dem Blog bin ich auf mehrere Einträge von Stefan Szabo gestoßen!“
„Stefan Szabo hat über seine Erlebnisse von damals geschrieben? Er ist doch gar nicht so alt!“, warf Braun ein.
„Sei nicht so begriffsstutzig!“ Richard Marxs Stimme bekam einen immer ungeduldigeren Unterton. „Er war ein Junge damals und hat überlebt, weil er einen Deckel unter dem Pullover versteckt hatte!“
„Einen Deckel? Das ist doch völlig absurd!“ In Brauns Kopf wirbelten alle Gedanken durcheinander. „Los, erzähl schon
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