Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
herrschte eine geisterhafte Stille. Auch die zahlreichen Köche und das Servicepersonal waren von der Polizei in Sicherheit gebracht worden. Er sah sich um, konnte aber keine Spur von Anna finden. Im hinteren Teil der Küche bemerkte er eine geöffnete Schiebetür und eine defekte Neonröhre flackerte wie ein geheimes Alarmsignal. Als er in den Raum stürmte, sah er sie am Boden liegen: Ihr Gesicht war verzerrt, der Mund halb geöffnet, die Haut geisterhaft blass. Ihre roten Locken wirkten kraftlos und strähnig. Ihr linker Arm war von der Schulter bis zum Ellbogen blau angelaufen, merkwürdig verrenkt und das schwarze Abendkleid aufgerissen und verschmutzt.
„Anna!“, schrie er, „zu spät! Zu spät!“ Er sank neben der regungslosen Gestalt auf die Knie und strich ihr über die wachsbleiche Wange.
Ich bin zu spät gekommen!, dachte er, wieder einmal habe ich versagt! Während er sich mit Selbstvorwürfen quälte, stand er langsam auf, drehte sich verzweifelt um die eigene Achse, so als würde er die Umgebung wegschleudern, nach draußen in den nachtschwarzen Himmel fegen und eine Zentrifugalkraft alleine durch seinen Schmerz herstellen. Doch plötzlich hörte er ein leises Wimmern.
Stöhnend zog sich Anna an der Wand hoch, ihr linker Arm hing kraftlos nach unten, so als würde er nicht mehr zu ihrem Körper gehören. Erschöpft setzte sie sich auf den Boden, ließ ihren Kopf schwer nach vorn auf ihre Brust sinken und die wirren roten Haare verdeckten ihr Gesicht völlig. Dann hob sie ihren Kopf, strich sich die Haare zurück und sah Braun entsetzt an.
„Es ist Stefan! Der Mörder ist Stefan Szabo! Es ist so schrecklich, so wahnsinnig“, wimmerte sie und holte tief Luft.
„Ich weiß, Richard hat es mir gerade gesagt“, beruhigte er sie. Schluchzend und stockend erzählte Anna, was passiert war und wie sie im letzten Moment eine Drehung gemacht hatte, um dem Elektroschocker auszuweichen. Der Stromstoß hatte sie nur am Arm erwischt.
Behutsam half ihr Braun auf die Beine. Sie schwankte zwar leicht und musste sich an der Wand abstützen. Aber bis auf den verletzten Arm und einige Abschürfungen war sie unverletzt.
Hektisch schaute sie umher und starrte dann wie gebannt auf den iPod von Stefan Szabo, der beim Lieferanteneingang auf dem Boden lag. Braun folgte ihrem Blick und bückte sich, um das Gerät mitsamt den weißen Kopfhörern aufzuheben. Reflexartig steckte er sich die Kopfhörer in die Ohren und drückte auf die Play-Taste. Er lauschte mit angespannter Miene, während ihn Anna unentwegt beobachtete. Plötzlich wurde sein Gesicht aschfahl und entsetzt riss er sich die Kopfhörer herunter.
„Er beschreibt seine Mordmotive“, flüsterte er tonlos und stoppte den iPod. „Er ist vollkommen wahnsinnig!“ Angeekelt schob er das Gerät in eine Plastiktüte und steckte es ein.
„Was hat er jetzt vor?“, murmelte er und sah sie fragend an.
„Er hat Tatjana Drakovic entführt. Ich habe ihn dabei überrascht. Er will sie ermorden, wie all die anderen.“ Sie lehnte sich gegen ein Regal und atmete tief durch. „Wir müssen ihn finden!“
„Du bleibst hier!“, dämpfte er ihren Enthusiasmus. „Das ist eine Angelegenheit zwischen mir und Szabo!“ Er schüttelte den Kopf. „Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen!“
„Er hat uns alle getäuscht“, sagte Anna. „Wir haben ihn für einen kreativen Exzentriker gehalten, in Wirklichkeit ist er ein kranker Mörder!“
Braun nickte zustimmend und stützte sich mit beiden Händen an den Oberschenkeln ab.
Das ist jetzt eine Sache nur zwischen mir und Szabo. Ein Kräftemessen, das ich auf keinen Fall verlieren will!, dachte er.
Anna stieß sich von dem Regal ab und ging auf das Lieferantentor zu.
„Wo willst du hin?“, rief er ihr hinterher und wusste, dass es zwecklos war, sie aufzuhalten.
„Wir müssen ihn stoppen! Es darf keinen weiteren Mord mehr geben! Wir dürfen keine Zeit verlieren!“, sagte sie. „Ich kenne auch den Ort, an dem seine finale Inszenierung stattfindet. Es ist das Kloster ,Zum flammenden Herzen‘!“
32. Randa: Die letzte Nacht
Die Gewitterfront hatte bereits die Stadt erreicht, pechschwarze Wolken türmten sich bedrohlich in der Bucht von Palma auf und als Tony Braun und Anna Lange das Ende der Straße erreichten und das Meer riechen konnten, klatschten erste dicke Tropfen vom nächtlichen Himmel. Überall erhellten die rotierenden Blaulichter der Polizeifahrzeuge die Nacht, knatternde Helikopter flogen mit
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