Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
gab Marc.
Das Verhältnis von Stanislaus Lange zu seiner Tochter Anna war nicht das beste. Im Grunde genommen war es überhaupt kein Verhältnis, denn sie hatten schon seit Jahren nur noch den allernötigsten Kontakt zueinander. Schuld daran waren die Spielsucht von Stanislaus Lange und die daraus resultierende Katastrophe. Lange Zeit hatte er seine fatale Wettleidenschaft vor seiner Familie geheim halten können, aber als seine Schulden überhand nahmen und schließlich ihre Familienvilla wie aus heiterem Himmel versteigert werden musste, brach für Anna, Larissa und vor allem für ihre Mutter die heile Welt mit einem Schlag zusammen.
Die Eltern ließen sich scheiden, Annas Mutter übersiedelte nach Marbella und ihr Vater in eine heruntergekommene Einzimmerwohnung an der Linzer Peripherie. Nichts drang an die Öffentlichkeit oder erreichte die Partei, es gab keinen Skandal, weder auf gesellschaftlicher noch auf politischer Ebene, Stanislaus Lange war eben geschieden, wie so viele andere Politiker auch, die wahren Hintergründe kannte niemand.
Nach außen hin war weiterhin alles in Ordnung. Stanislaus Lange lebte zunächst wie bisher die meiste Zeit in Brüssel als EU-Abgeordneter, um dann in die Landesregierung zu wechseln. Anna arbeitete damals als freiberuflicher Marketingcoach, um ihr Wirtschaftsstudium zu finanzieren. Eines Morgens fand man ihre Mutter mit einer Überdosis Schlaftabletten in ihrem Apartment in Marbella. Es wurde zwar sofort der Notarzt verständigt, doch es war bereits zu spät. Für diese Tragödie gab Anna ihrem Vater die alleinige Schuld und sie verbannte ihn deshalb aus ihrem Herzen.
Ihr Vater verlor den letzten Halt, verstrickte sich in eine Korruptionsaffäre, die ihm seine Karriere kostete und Anna auf sehr unerfreuliche Weise mit Tony Braun, damals noch beim Drogendezernat, in Kontakt brachte. Doch das war eine andere Geschichte.
Jetzt tauchte ihr Vater plötzlich wieder auf und erschütterte von Neuem das äußerst fragile Gleichgewicht ihres beruflichen und privaten Lebens.
Geschäftlich hatte sie immer alles unter Kontrolle, aber bei dem Gespräch mit ihrem Vater wechselte sie ungewollt auf die private Seite und hatte sofort wieder das Gefühl, nichts kontrollieren zu können. Und da war noch diese Sache mit Marc. Marc, der Schönheitschirurg, den sie durch ihre Schwester Larissa kennen gelernt hatte und leider auch liebte.
„Diese Sache“, wie sie es nannte, hatte sie nun ganz und gar nicht unter Kontrolle. Denn in dieser Sache regierten bei ihr die Emotionen. Marc war verheiratet und seine Beziehung mit Anna dauerte nun schon einige Jahre, mit Unterbrechungen. Es war ein Verhältnis, das ständig zwischen den Polen Liebe und Hass hin und her schwang. Anna hasste Marc, wenn sie das Hotelzimmer verließ oder er mitten in der Nacht lautlos aus ihrer Wohnung schlich. Sie hasste die Sonntage, wenn er bei seiner Familie war, sie hasste die Krawatten, die seine Frau für ihn aussuchte, die T-Shirts, Boxershorts, die sie für ihn kaufte, aber sie liebte Marc.
Über das Verhältnis zu ihm hatte sie keine Kontrolle, sah sie ihn eine Woche lang nicht, wurde sie krank vor Eifersucht und auch vor Liebe. Ja, sie liebte Marc und für diese Liebe hasste sie ihn, hasste sich für diese Abhängigkeit, für diese Liebe ohne Zukunft. Denn eine Zukunft gab es nicht. Marc liebte seine Frau und die Zwillinge, er liebte aber auch Anna und konnte sich deshalb nicht entscheiden. Sie hingegen hatte schon öfters eine Entscheidung getroffen und das Verhältnis beendet, zumindest für einige Tage. Aber sobald sie die Hand von Marc in ihrem Nacken spürte, waren ihre Vorsätze beim Teufel, sie landeten wieder im Bett und alles blieb wie immer.
Gedankenverloren hing Anna an ihrem Schreibtisch und bemerkte nicht, dass Richard Marx schon einige Minuten an der Wand lehnte und sie verstohlen betrachtete.
Da Richard Marx der einzige feste Angestellte der Agentur war und Mary nur halbtags arbeitete, füllte er alle Funktionen vom Empfang bis zur Artdirection aus. Annas Telefon schrillte, doch sie reagierte nicht.
„Hier riecht es ja very intensive“, meinte er und deutete auf die Scherben und den dunklen Fleck an der Wand. Doch sie reagierte noch immer nicht.
„Ist was mit Marc?“, fragte er sanft und blies einen wunderschönen Rauchring in die Luft.
„Extra für dich!“, versuchte er sie aufzuheitern. Richard wusste Bescheid über Annas emotionale Achterbahnfahrt. Eines Abends hatte sie sich
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