Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
dass seine Zähne klappernd aufeinanderschlugen. Er hatte völlig auf seinen Sohn vergessen. Am Montag darauf reichte seine Frau die Scheidung ein und erhielt anstandslos das alleinige Sorgerecht für Jimmy. Tony Braun wurde nach einigen Tobsuchtsanfällen und Schreiexzessen beim Familientherapeuten auf Betreiben seiner Exfrau gerichtlich verboten, mit dem Jungen Kontakt aufzunehmen .
Als es an seiner Tür klopfte und ein merkwürdiger Typ mit bunten Ohrringen eintrat, sich wortlos an Brauns Computer setzte, verblasste die Erinnerung an sein tristes Privatleben und er starrte gebannt auf den Bildschirm, der sich langsam zu einer fremden, grausamen Welt öffnete.
Der Film ruckte vorwärts, zögernd, langsam, grobkörnig, verwaschen, asynchron zu der Tonspur, so als hätte die Datei Gewissensbisse, das Aufgezeichnete auch wiederzugeben. Natürlich führte die Wave-Datei kein Eigenleben, sondern es war Brauns altersschwacher Computer, der dieses unbefriedigende Ergebnis brachte.
Er hing über dem Schreibtisch, das weiße T-Shirt verschwitzt, die schwarze Anzughose verknittert, ständig kratzte er sich den Kinnbart, während er das Geschehen in dem kleinen Fenster auf der Homepage von killingiseasy.info mit zusammengekniffenen Augen studierte.
Viel gab es nicht zu sehen, die verwackelten Bilder zeigten eine heruntergekommene Disco mit einem kreisenden Mirrorball, der ständig Blitze durch den Raum schleuderte. Dort, wo früher Paare über die Tanzfläche gewirbelt waren, wo Sehnsucht, Begehren, Liebe, Spaß und Abenteuer die Nacht erfüllt hatten, dort waren jetzt zwei Männer zu sehen, die sich gegenseitig zu Brei schlugen: blutige Fleischberge, die unentwegt aufeinander eindroschen, angefeuert von einer völlig enthemmten Zuschauermeute. Geräusche, die aus Brauns lächerlich kleinen Lautsprechern wie ein blechernes Höllengekreische klangen, denen die Tiefe fehlte, aber auch dem Film fehlte jegliche Tiefe, es war nur das mitleidlose, brutale Zuschlagen, das zählte.
„Kann ich den Film herunterladen?“, fragte er Richard Marx, der mit weiter Cargohose, T-Shirt und bunten Ohrringen vor dem Computer saß und so gar nicht in die nüchterne Atmosphäre der Mordkommission zu passen schien.
„Keine Chance, das Movie downzuloaden“, erwiderte Richard, „aber wir können Screenshots machen.“ Er drückte einige Tastenkombinationen, ein Fadenkreuz wurde auseinandergezogen, der Film ruckte, stoppte, ruckte weiter und dann ertönte ein kurzes Schnarren.
„Ein Bild haben wir“, stellte Richard zufrieden fest. „Sag mir einfach, was du noch willst und ich mache den Shot.“
Braun konzentrierte sich wieder auf die Szene. 2:30 Minuten, noch 30 Sekunden, dann war der Film wieder vorbei und die Chance vorüber. Die Kamera schwenkte jetzt weg von den Kämpfern, hin zum Publikum, zitterte die Reihen entlang, verharrte auf dem einen oder anderen Gesicht, zoomte näher, ein Zuschauer schlug die Hände über das Gesicht, ein anderer streckte die Faust in die Luft, um die Kämpfer noch weiter anzufeuern. Das Gesicht eines Mannes blieb im Dunkeln, dann drehte er jedoch den Kopf direkt zur Kamera, brüllte etwas zu seinem Nebenmann und Braun schrie auf.
„Jetzt! Ich brauche dieses Bild!“ Er rückte ganz nahe an den Bildschirm.
„Hast du das Bild?“, fragte er Richard, der eine ganze Serie von Screenshots auf seinen Computer lud. Mit lautem Krachen setzte sich der Drucker in Bewegung und ein Bild um das andere ratterte heraus, grobkörnig, unscharf, aber die Personen darauf waren klar zu erkennen.
„Mach schon! Los mach schon!“, herrschte Braun den grauen, unförmigen, alterschwachen Drucker an, riss das erste Bild heraus, dann das nächste, warf sie wütend in den Papierkorb, hielt den dritten Ausdruck in die Höhe.
„Bogdan Drakovic! Das ist der Beweis, dass du mit drinsteckst!“, rief er und schlug mit seiner Faust auf den Drucker.
„Ich gehe dann mal!“, hörte er Richard murmeln. Er hob grüßend die Hand, sah nicht einmal auf, als Richard sein Büro und das Polizeipräsidium verließ, sich auf das Mountainbike schwang und zurück in die Agentur radelte, denn er hatte nur Augen für das verschwommene Bild.
„Kann man die Schärfe noch optimieren?“, fragte Braun, nachdem er den Ausdruck mehrere Minuten lang angestarrt hatte, drehte sich um, als er keine Antwort erhielt und merkte erst jetzt, dass er alleine in seinem Büro stand und Richard schon längst weg war.
Am frühen Nachmittag war Richard Marx
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