Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
porträtierte Anna Lange als eine der wenigen Frauen, die sich in der harten Machodomäne der Werbung in einer Spitzenposition behaupteten, als Trendsetterin mit einem untrüglichen Sinn für kommende Entwicklungen. Von der Eigentümerin des Unternehmens „The White Elephant“, einer Werbeagentur mit großem Potential, werde man in den nächsten Jahren sicher noch viel hören, damit schloss der Artikel ausgesprochen positiv. Abgerundet wurde er mit einer Studioaufnahme von Anna Lange im schwarzen Ledermantel mit Zipp, schwarzen Röhrenjeans mit Bondagegummi, den unvermeidlichen schwarzweiß karierten Converse Sneakers und das lange rote Haar mit viel Spray geglättet, die grünen Augen funkelten visionär, das hübsche Gesicht wirkte cool und doch weiblich.
Mit halbem Ohr hörte Anna die Lobeshymnen ihres Vaters und bohrte die Spitze eines grässlichen Werbekugelschreibers in die ausgedruckte Saldenliste auf ihrem Schreibtisch. Auf dem Bildschirm ihres Designcomputers flimmerte die Umsatzstatistik des Steuerberaters für den laufenden Monat. Die Abweichungen von der Jahresplanung waren mit unterschiedlichen Farben hinterlegt, sodass die Statistik auf den ersten Blick wie ein abstraktes Gemälde aussah. Doch die Zahlen waren konkret und könnten besser sein, bedeutend besser, dachte Anna. Ihr Vater hatte sie in einem unkontrollierten Moment erwischt. Mit ihrem Kopf bei den Zahlen, ließ sie sich das Gespräch durchstellen und hörte zum ersten Mal seit Jahren wieder seine Stimme.
„Warum rufst du eigentlich an?“, unterbrach sie schließlich seinen Redefluss, setzte sich aufrecht in ihren Stuhl und konzentrierte sich endlich auf das Telefonat.
„Du willst mir doch nicht erzählen, dass du nur wegen des Artikels anrufst. Ich war schon öfters in der Zeitung, da habe ich nie etwas von dir gehört!“
„Sei doch nicht so hart zu deinem alten Vater, mein Liebling“, erwiderte Stanislaus Lange und gab seiner Stimme einen väterlichen Unterton. „Ich denke oft an dich und deine Karriere, gerade in einer so harten Branche wie der Werbung. Ich betreibe ständig Lobbying für dich und deine Agentur!“
„Was willst du!“, unterbrach Anna das Gesülze.
„Ich habe einen lukrativen Auftrag für dich! Ein internationaler Konzern braucht eine groß angelegte Imagekampagne. Ich habe das für dich eingefädelt, es gibt keine Präsentation mit anderen Agenturen. Du hast den Auftrag so gut wie sicher!“
Nach einer Kunstpause fügte er siegessicher hinzu: „Das Agenturhonorar ist natürlich sehr hoch!“
Anna schwieg und starrte aus dem Fenster auf das Hafenbecken, in dem Containerschiffe und Ausflugsboote träge dümpelten. Keine Emotionen aufkommen lassen, ruhig und kontrolliert zuhören und dann einfach ablehnen, egal welche großartigen Versprechen dein Vater macht, egal was er dir diesmal vorlügt, egal, womit er sich diesmal einen Vorteil verschaffen will! Egal! Egal! Egal!, dachte sie. Er hat dich zu oft enttäuscht und belogen!
Doch da waren die unerbittlichen Zahlen und die dramatisch nach unten weisende Umsatzkurve ihrer Agentur und sie wusste, dass sie diesmal keine andere Chance hatte, als auf das Angebot ihres Vaters einzugehen. Nachdem sie zugesagt und mit ihrem Vater die Details besprochen hatte, packte sie vor Wut kreischend eine Parfumflasche und schleuderte sie gegen die Wand. Klirrend zerplatzte der Flakon, eine Parfumwolke breitete sich in ihrem Büro aus, so intensiv, dass ihr das Kotzen kam.
Nach dem Wutanfall beruhigte sich Anna Lange schnell wieder und dachte über das Gespräch mit ihrem Vater nach. Für „The White Elephant“ war dieser Auftrag natürlich eine Riesenchance, das Desaster mit Geld, Bank, Krediten und Raten heil zu überstehen. Den kreativen Stefan Szabo, der gerade bei diesem Projekt wichtig gewesen wäre, würde sie allerdings aus Kostengründen nicht einbeziehen. Sie konnte das mit Richard Marx alleine schaffen, besser gesagt, sie musste es, denn sie hatte keine andere Alternative.
„Du schaffst, was du willst!“, flüsterte sie halblaut und bohrte die Kugelschreiberspitze in ihre Schreibtischplatte. „Du schaffst, was du willst!“, wiederholte sie und nickte dabei. „Du schaffst, was du willst!“ Beruflich glaubte sie daran, doch in ihrem Hinterkopf blieben die bohrenden Zweifel, ob sie es tatsächlich jemals schaffen würde, sich aus den emotionellen Fallen ihres Privatlebens zu befreien. Denn in ihrem Privatleben gab es ihren Vater, ihre Schwester und es
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