Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
Kuss auf die faltige Wange zu drücken.
„Gut siehst du aus, das Sanatorium ist wirklich ein Glücksgriff gewesen, du kannst ja wieder selbst rauchen!“
„Mein Junge, gerade habe ich an dich gedacht“, sagte die alte Frau und lächelte. „Ich habe gespürt, dass du mich heute besuchen kommst.“
„Du hattest schon immer eine besondere Intuition, Mutter“, sagte Szabo und setzte sich direkt vor ihr auf den verbleichten grünen Rasen. Im Licht der noch niedrig stehenden Sonne wirkte seine Gestalt wie ein schwarzweißer Scherenschnitt, seine dunkle Jacke mit den vielen Taschen verschmolz mit der schwarzblauen Farbe des Sees und verlieh ihm ein mystisches Aussehen.
„Wie geht es dir?“, fragte er.
„Manchmal besser, manchmal schlechter, das ist so bei Multipler Sklerose“, wich seine Mutter der Frage aus. „Aber ich will nicht über meine Krankheit sprechen. Ich als Ärztin weiß, wie es enden wird! Deshalb genieße ich auch jeden Tag, an dem ich mir selbst eine Zigarette anzünden kann.“
„Ich finde, du hast deine Krankheit gut im Griff“, beruhigte er sie und sah sie an. Noch immer hatte seine Mutter diese strahlenden, kornblumenblauen Augen und das scharf geschnittene Gesicht. Die grauen dichten Haare waren im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden und wäre nicht das unkontrollierte Zucken ihrer Nackenmuskeln gewesen, könnte man sie beinahe für gesund halten. Doch seine Mutter war todgeweiht, dass wussten sie beide. Die starken Medikamente hatten zwar bewirkt, dass sie ihre Arme und Hände wieder bewegen konnte, dafür wurden von den Nebenwirkungen der Tabletten ihre inneren Organe in Mitleidenschaft gezogen. Aber seine Mutter wollte die Kontrolle über ihre Hände behalten, als ehemalige Chirurgin waren die ruhigen Hände ihre wichtigste Waffe gegen den Tod gewesen. Doch das war schon lange her.
Sie zog an ihrer Zigarette und hatte plötzlich einen Hustenanfall. Sofort sprang Szabo auf, klopfte ihr auf den Rücken, wollte, als das nichts half, auf den roten Knopf drücken, doch seine Mutter umklammerte mit ihren krallenartigen Fingern sein Handgelenk.
„Lass das, ich sterbe nicht“, krächzte sie und unterdrückte mit zusammengebissenen Zähnen den Hustenreiz.
Erschöpft legte sie den Kopf auf die Nackenstütze des Rollstuhls und die bis zum Filter gerauchte Zigarette fiel ihr aus den heftig zitternden Fingern ins Gras. Wortlos drückte sie Szabo aus.
Hinter seinem Rücken hörte er wieder das Klappen des Feuerzeuges, das Ächzen seiner Mutter, die sich vergeblich bemühte, Zigarette, Feuerzeug, Finger zu koordinieren, um schließlich zu resignieren:
„Stefan, hilfst du mir?“
Szabo steckte ihr eine Zigarette in den Mund, zündete sie an und hielt sie ihr bei jedem Zug an die Lippen.
„Ich kann das selbst!“, meinte sie trotzig wie ein kleines Kind. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihr schließlich einen Zug zu machen.
„Siehst du“, meinte sie stolz, „es ist alles nur eine Frage der Kontrolle!“
„Ja, das stimmt“, pflichtete ihr Szabo bei, „man muss die Dinge immer kontrollieren können.“
„Hast du alles unter Kontrolle?“, fragte seine Mutter.
„Ich kümmere mich darum, dass ich das Wesentliche nicht aus den Augen verliere.“
„Warum bist du hier?“, fragte sie. Sie liebte diese abrupten Themenwechsel, das hing wahrscheinlich mit ihrer Krankheit zusammen.
„Du kennst mich wirklich gut“, sagte er und lächelte. „Ich arbeite an einem großen Kreativprojekt. Das erfordert auch diverse Auslandsaufenthalte. Ich will mich von dir verabschieden, denn ich werde ziemlich lange wegbleiben! Wenn das Projekt abgeschlossen ist, wird sich vieles ändern. Ich werde dann wohl eine andere Existenz führen.“
„Was ist das für ein Projekt?“, fragte seine Mutter und die brennende Zigarette fiel auf die Wolldecke. Schnell griff er danach und steckte sie ihr wieder zwischen die Lippen.
„Was ist das für ein Projekt?“, flüsterte sie kaum hörbar und versuchte ihr Gesicht näher an ihn heranzuschieben.
„Darüber darf ich nicht sprechen! Aber du wirst davon erfahren, wenn es abgeschlossen ist! Ich habe alles daran gesetzt, dieses Projekt zu realisieren!“ Szabo nahm ihr die Zigarette aus dem Mund und schnippte sie in den See. Er öffnete das Zigarettenetui, zündete eine neue Zigarette an, ohne den Rauch zu inhalieren, und steckte sie seiner Mutter wieder zwischen die Lippen.
„Du wirst dich noch mit dem Rauchen umbringen“, sagte er und lächelte
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