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Tokyo Love

Tokyo Love

Titel: Tokyo Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hitomi Kanehara
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scharfen Blick zu, der mich schmerzhaft durchfuhr.
    »Nun ja«, murmelte er und strich mir dabei über den Kopf. Ich wußte nicht, was mich plötzlich so traurig stimmte, aber mir rannen Tränen übers Gesicht.
    »Was war das für ein Gefühl?«
    »Ein tolles Gefühl«, erwiderte er, als hätte ich ihn gefragt, wie er das Bad empfunden hätte. Ich sprach offenbar mit der falschen Person.
    »Aha«, sagte ich leise und bereute, daß ich angefangen hatte zu heulen.
    »Zieh dich aus!«
    »Wolltest du nicht was besorgen?«
    »Dein verheultes Gesicht macht mich geil.«
    Ich zog mich bis auf die Unterwäsche aus und streckte ihm meine Arme entgegen. Shiba-san trug heute entgegen seiner Gewohnheit ein weißes Hemd über grauen Hosen. Er löste seinen Gürtel und trug mich zur Liege. Mein Unterleib reagierte auf seinen kalten herablassenden Blick wie ein Pawlowscher Hund. Überall fühlte ich seinen Schwanz, seine Finger in meinem Fleisch stochern. Ich stöhnte vor Lust und Schmerz. Jedesmal wenn wir Sex hatten, wurden Shiba-sans dürre Finger grausamer. Wollte er damit seine Liebe beweisen? Wenn das so weiterging, würde er mich wohl irgendwann töten.
    Als wir fertig waren, blieb ich liegen, während er sich ne ben mich setzte und sich eine Zigarette anzündete.
    »He, willst du mich nicht heiraten?«
    »War es das, worüber du mit mir reden wolltest?«
    »Na ja, was ich sagen wollte: Du bist Ama nicht gewachsen, und er dir genausowenig. Ihr seid nicht füreinander geschaffen, eure Beziehung ist unausgewogen.«
    »Und deswegen soll ich dich heiraten?«
    »Na ja, nicht deswegen. Das hat damit nichts zu tun. Mir ist irgendwie danach: Ich will einfach heiraten.«
    Shiba-san redete über diese doch eher bemerkenswerte Sache in einem völlig unbeteiligten Ton. Mir ist irgendwie danach – nach heiraten. Ein ziemlich vager Antrag. Ohne meine Antwort abzuwarten, stand er auf und zog sich an. Dann ging er rüber zum Schreibtisch und holte etwas metallisch Klirrendes heraus.
    »Hier, den Ring habe ich schon mal angefertigt.«
    Er überreichte mir einen robusten Klopper aus Silber. Er reichte vom Knöchel bis hoch zum Fingernagel. Es war ein wahres Punk-Monstrum, aber raffiniert gearbeitet. Der Schmuck besaß Gelenke, so daß man den Finger gut bewegen konnte. Ich steckte ihn mir an den Zeigefinger meiner rechten Hand.
    »Den hast du gemacht?«
    »Ja, so was mache ich nebenbei, als Hobby sozusagen. Na ja, auch wenn es nicht so deinem Geschmack entspricht.«
    »Nun ja … hm … ganz schön robust, das Ding«, lachte ich, was Shiba-san ebenfalls ein Lächeln entlockte. »Danke«, sagte ich und gab ihm einen Kuß.
    Shiba-san zog eine unwillige Grimasse und verließ das Zimmer mit den Worten, er wolle kurz was einkaufen.
    Als er weg war, entsann ich mich seiner Bemerkung, meine Beziehung zu Ama sei unausgewogen. Was sollte das überhaupt heißen? Inwiefern konnte eine Beziehung denn ausgewogen sein? In meiner Lethargie versuchte ich mir die Möglichkeit einer Ehe vorzustellen. Es erschien mir völlig abwegig. Genauso irreal wie meine Gedanken in diesem Moment, wie die Umgebung vor meinen Augen, wie die Zigarette, die ich zwischen Zeige- und Mittelfinger hielt. Ich hatte das Gefühl, ganz woanders zu sein, so als würde ich mich aus der Ferne betrachten. Es gab nichts, an das ich glauben konnte; nichts, was ich empfinden konnte. Das einzig wahre Gefühl, am Leben zu sein, hatte ich immer nur dann, wenn ich Schmerzen erlitt.
    Shiba-san kam mit einer Plastiktüte aus dem Supermarkt zurück.
    »Hier, das wird jetzt gegessen. Wenigstens ein paar Bissen, hörst du?«
    Er plazierte vor mir ein Fertiggericht mit Schweinekotelett und eins mit Rindfleisch.
    »Welches willst du?«
    »Gar keins. Kann ich ein Bier haben?«
    Ich hatte mich bereits erhoben, bevor er etwas erwidern konnte, und holte mir eine Flasche aus dem Kühlschrank. Dann setzte ich mich auf den Alustuhl neben dem Schreibtisch und trank in einem Zug. Shiba-san schaute mich an, als hielte er mich für einen hoffnungslosen Fall.
    »Na schön, mach, was du willst, ich nehm dich auch so. Also, wenn du Lust hast, heirate mich.«
    »Na klar«, sagte ich gutgelaunt und leerte die Flasche.
    Bevor es dämmerte, machte ich mich auf den Heimweg. Draußen blies ein kalter Wind. Wieviel Zeit zu leben blieb mir noch? Es dauerte bestimmt nicht mehr lange – das konnte ich fühlen. Als ich in die Wohnung kam, weitete ich das Piercing auf 2g. Es blutete, als ich den Stift in die Zunge preßte. Vor

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