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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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von unserm Feind totmachen, desto besser; und ich wünschte, mit Herzensgrunde, daß sie ein jegliches Mutterkind von ihnen totschießen möchten!«
    »O pfui, Frau Wirtin!« sagte der Leutnant, »alle! das ist doch ein zu blutgieriger Wunsch.«
    »Gar nicht, lieber Herr Leutnant,« antwortete sie; »ich bin ganz und gar nicht von den blutgierigen und falschen! Nur gegen unsre Feinde, und da ist gar keine Sünde bei. Das ist doch richtig, es ist natürlich für uns, daß wir unsre Feinde aus der Welt wünschen, damit des Krieges einmal ein Ende wäre und wir nicht mehr so viel Steuern geben dürfen: denn es ist entsetzlich, was wir alles aufblechen müssen. Ja, sehn Sie nur, wir geben allein bis auf zehn Thaler fürs Fensterlicht, und doch haben wir so viel eingehn lassen, als wir nur immer können. Das ganze Haus haben wir fast blind gemacht, das ist wahr; und so sagt' ich zu den Steuerleuten, sie sollten uns, sag' ich, ein wenig günstig sein, denn wir sind recht gute Freunde der Regierung, und das ist wahr, das sind wir, denn wir geben ihr das Geld zu ganzen Händen voll; und doch kommt mir's zuweilen vor, als ob die Regierung nicht glaubt, sie sei uns mehr schuldig, als solchen Leuten, die ihr keinen Heller bezahlen; ja, liebste Zeit, das ist so der Lauf der Welt.«
    Sie war diesergestalt in dem besten Laufe ihrer Rede, als [43] der Wundarzt ins Zimmer trat. Der Leutnant fragte ihn alsobald, wie's seinem Patienten ginge? Er befriedigte ihn aber nur folgendermaßen: »Besser, glaub' ich, als es jetzt schon gegangen sein würde, wenn ich nicht dazu gerufen worden wäre, und noch ebenso wie's ist, wär' es vielleicht glücklich gewesen, wenn ich hätte früher gerufen werden können.« – »Ich hoffe, mein Herr,« sagte der Leutnant, »es zeigt sich kein Bruch im Hirnschädel?« – »Hm!« sagte der Barbier, »Frakturen sind nicht immer die gefährlichsten Symptome. Kontusionen und Lazerationen sind oft von schlimmern Phänomenis begleitet und haben fatalere Folgen als Frakturen. Leute, welche nichts von der Sache verstehen, meinen, wenn sich nur keine Frakturen am Schädel zeigen, so sei alles schon gut; da ich doch lieber sehen wollte, daß eines Menschen sein Schädel in tausend Stücke zersplittert wäre, als gewisse Kontusionen, die mir in meiner Praxis vorgekommen sind.« – »Ich hoffe,« sagte der Leutnant, »daß hier keine dergleichen Symptome vorhanden sind!« – »Symptome,« antwortete der Wundarzt, »sind nicht immer regulär oder beständig. Mir sind Symptome vorgekommen, welche des Vormittags sehr bös aussahen und sich gegen Nachmittags sehr günstig veränderten. Von Wunden, ja freilich, wird ganz richtig und wahr gesagt:
Nemo repente fuit turpissimus.
Ich erinnere mich, daß ich einstens zu einem Patienten gerufen wurde, der eine violente Kontusion in die Tibia gekriegt hatte, wodurch die Cutis exterior ganz lazeriert worden, dergestalt, daß eine starke Extravasation vorhanden war, und die Membrana interior war dergestalt divelliziert, daß das Os, oder der Knochen, durch die Appertur der Vulnus, oder Wunde, ganz deutlich zu sehen war. Zugleich stellten sich einige febrilische Symptomata dabei ein (denn der Puls ging hoch und indizierte viel Phlebotomia). Ich besorgte eine immediate Mortifikation. Dieser zuvorzukommen, machte ich ein großes Orifizium in die Venam des linken Arms, und zog daraus zwanzig Unzen Bluts, und ich erwartete nichts anders, als ich würde solches sehr zäh und glutinös, oder wirklich koajuliert befinden, wie es im pleureitischen Zufällen zu sein pflegt. Aber zu meinem Erstaunen fand ich es ganz hellrot und rosenfarbig; und seine Konsistenz differierte nur sehr wenig von dem Blute eines ganz gesunden Menschen. Was that ich! Ich applizierte auf die Wunde ein hübsches Foment, welches dann die erwünschte Wirkung that; und nach drei oder vier Verbänden begann die Wunde einen dicken Puß, oder Eiter, auszuwerfen, vermittelst dessen die Kohäsion – aber vielleicht drücke ich mich Ihnen nicht ganz verständlich aus.« – »Nein, wirklich nicht!« antwortete der Leutnant. »Ich kann nicht sagen, daß ich eine Silbe verstände.« – »Recht gut denn«, sagte der Barbier, »so [44] will ich Ihre Geduld nicht länger mißbrauchen. Kurz, in sechs Wochen war mein Patient wieder auf den Beinen, und zwar so flink, als er's nur jemals sein konnte, bevor er die Kontusion wegkriegte.« – »Ich wünschte, mein Herr,« sagte der Leutnant, »Sie möchten bloß die Güte haben,

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