Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
auf die Wunde, um das Blut zu stillen. Sie machte sich selbst darüber her, mit ihrer Hand des Jünglings Schläfe zu reiben; und nachdem sie mit bitterer Verachtung von dem Bierrezepte ihres Mannes gesprochen hatte, schickte sie eine von ihren Mägden hin und ließ aus ihrem eigenen Schranke eine Flasche Branntwein holen. Sobald die gebracht war, erhielt sie's über Jones, der eben wieder zu Sinnen gekommen war, daß er einen starken, herzhaften Schluck davon nahm.
Nicht lange hierauf kam der Wundarzt, welcher, nachdem er die Wunde besichtigt, die Achseln gezuckt, den Kopf geschüttelt und alles getadelt, was bis daher gethan war, sogleich befahl, seinen Patienten [41] zu Bette zu bringen. Wir befinden für gut, ihn darin einige Zeit seiner Ruhe zu überlassen, und machen sonach diesem Kapitel ein Ende.
Dreizehntes Kapitel.
Enthält: die große Gewandtheit der Wirtin, die große Gelehrsamkeit eines Wundarztes und die solide Wissenschaft des würdigen Leutnants in der Kasuistik.
Nachdem der verwundete Mann nach seinem Bette gebracht und das Haus von dem Getümmel, das dieser Zufall veranlaßt hatte, wieder ein wenig zur Ruhe gekommen war, wendete sich die Wirtin mit folgender Anrede an den kommandierenden Offizier: »Ich besorge,« sagte sie, »lieber Herre, der junge Mensch hat sich wider die gnädigen Herren nicht so schicklich ungebührlich aufgeführt, als er wohl sollte; und wenn er dran stürbe, so glaube ich, hätte er seine rechte Lohnung; denn das ist wahr, wenn wohlnehmende Herrn solche niedrige Menscher in ihre Gesellschaft ziegen, so sollten die sich hübsch aufführen, wie's schicklich ungebührlich für sie ist; aber wie mein Mann seliger zu sagen pflag, das weiß nicht jedermann. Ich für mein Teil, das ist richtig, ich hätt' es nicht gelitten, daß sich Burschen in honetter Herrn Gesellschaft vermengt hätten; aber ich war der Vermeinung, es wäre eben auch ein Offizierer gewesen, bis mir's der Herr Wachtmeister verzählte, es wäre nur ein Rekrut.«
»Frau Wirtin,« antwortete der Leutnant, »Sie irrt sich in der ganzen Sache. Der junge Mann hat sich recht sehr gut aufgeführt, und ist, glaub' ich, ein vornehmerer Mensch und gewiß von weit besserer Erziehung als der Fähnrich, der ihn mißhandelt hat. Sollte der junge Mensch sterben, so wird der Mann, der ihm die Bouteille an den Kopf geworfen hat, die größte Ursach haben, es zu bereuen: denn das Regiment wird dadurch einen unruhigen Stänker los, der der Armee keine Ehre macht; und wenn er den Händen der Gerechtigkeit entrinnt, so gebe Sie mir die Schuld, Frau Wirtin! Weiter sag' ich nichts.«
»Ja, ja! Du allerliebste Zeit!« sagte die Wirtin, »wer sollte so was gedacht haben! Ach ja, das ist richtig! Ihro Gnaden, Herr Leutnant, werden auf Recht und Gerechtigkeit sehen, und dies sollte billig einem jeden widerfahren. Vornehme Herrn sollten keine arme Leute totschlagen und schmeißen, ohn' es verantworten zu können. Ein arm Mensch hat doch auch eine Seele, die auch erlöst werden muß, so gut als seine Vorgesetzten.«
»In der That, Frau Wirtin,« sagte der Leutnant, »Sie thut [42] dem Volontär unrecht; ich will wohl schwören, daß er von besserer Abkunft ist, als der Offizier.«
»Ei, ei,« schrie die Wirtin, »das seh' man doch! Ja, freilich, mein Mann seliger war ein sehr vernünftiger Mann; er pflag zu sagen, man kann es dem Rock nicht immer ansehn, was für ein Mann drin steckt. Ach ja, der war auch so schlecht wohl noch nicht, denn ich habe ihn nicht eher zum ansehn gekriegt, bis er voller Blut war, wer sollte so was gedacht haben! Kann wohl sein, 's ist ein junger Herr, dem 's in der Liebe die Quere geht. Ach du liebste Zeit! Wenn er sterben sollte, welch en Herzleid würde das machen für seine lieben Eltern. Nu, das ist richtig, der Teufel, Gott sei bei uns! muß den gottlosen Bösewicht besessen haben, der eine solche That thun kann. Ja wohl wahr, wie Ihr Gnaden, Herr Leutnant sagen, er macht der Armee keine Ehre; denn die meisten von den Herrn von der Armee, die ich noch zum ansehn gekriegt habe, sind ein ganz ander Art Korn von Leuten, und haben das Ansehn darnach, daß sie ebenso milchthätig sind wie andre, um nur einen Tropfen Christenbluts zu vergießen. Ich meine, das heißt auf eine höfliche Art, wie mein Mann seliger zu sagen pflag; denn das ist richtig, wenn sie in den Krieg kommen, da muß Blutvergießen sein! Aber daran haben sie denn auch ganz recht gethan und sind davor nicht zu tadeln. Jemehr sie daran
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