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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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mir zu sagen, ob die Wunde, welche dieser junge Mensch zu bekommen das Unglück hatte, so beschaffen ist, daß sie tötlich werden kann?« – »Mein Herr Leutnant,« antwortete der Barbier, »bei einem ersten Verbande zu sagen, ob eine Wunde tötlich werden könne oder nicht, das wäre eine thörichte Anmaßung. Wir sind alle sterblich; und während einer Kur ergeben sich oft solche Symptomata, welche der geschickteste Mann in unserer Profession keineswegs vorhersehen konnte.« – »Aber, halten Sie denn dafür, daß er in Gefahr sei?« sagte der andere. – »In Gefahr! nun wahrhaftig!« schrie der Pflasterdoktor. »Von wem unter uns, der sich in der vollkommensten Gesundheit befindet, kann man wohl sagen, er befinde sich in keiner Gefahr? Kann man also wohl von einem Manne mit einer so bösen Wunde sagen, er sei außer Gefahr? Alles, was ich für jetzt noch sagen kann, ist: man hat sehr wohl gethan, daß man mich dazu gerufen hat; und vielleicht wär's noch besser gewesen, wenn man mich früher gerufen hätte. Morgen in der Frühe will ich ihn wieder besuchen, und unter der Zeit muß er sich äußerst ruhig verhalten und fein fleißig Haferwelgen trinken.« – »Wollten Sie nicht erlauben,« sagte die Wirtin, »daß man ihm ein wenig Gerstengraupenwasser mit Sekt machte?« – »Ach ja,« sagte der Arzt, »da können Sie wohl thun! Nur ja nicht zu stark! nicht zu stark von Sekt.« – »Und ein wenig Brühe von jungen Hühnchen?« fügte sie hinzu. – »Ja, ja, junge Hühnerbrüh, aber schwach,« sagte der Doktor, »ist recht gut!« – »Darf ich ihm nicht auch ein bißchen Gallert machen?« sagte die Wirtin. – »Ach ja, warum nicht?« antwortete der Doktor; »Gallerte sind sehr gut für eine Wunde, sie befördern die Kohäsion.« Und in der That war's ein Glück, daß sie nicht starke Rindfleischsuppen und stark gewürzte Brühen genannt hatte, denn der Doktor hätte gerne alles zugegeben, um nur nicht die Kundschaft des Hauses zu verlieren. Der Barbier war kaum weggegangen, als die Wirtin anfing, gegen den Leutnant seinen Ruhm auszuposaunen, denn dieser hatte, während seiner kurzen Bekanntschaft mit ihm, keine so hohe Meinung von seiner Geschicklichkeit in der Wundarzneikunst gefaßt, als diese gute Frau und die ganze Nachbarschaft umher (und zwar wirklich mit Recht) von ihm hegte. Denn, ob ich freilich wohl fürchte, daß der Doktor einen kleinen Hasenfuß in der Tasche führte, so konnte er deswegen doch ein sehr guter Wundarzt sein.
    Da der Leutnant aus der gelehrten Rede des Barbiers sich [45] so viel zusammenbuchstabiert hatte, daß Herr Jones in großer Gefahr sei, so stellte er Ordre, den Fähnrich Northerton aufs strengste zu bewachen, und setzte sich vor, ihn des Morgens nach einem Friedensrichter zu begleiten, und so lange das Kommando der Truppen auf ihrem Marsche nach Glocester dem französischen Leutnant zu übertragen, welcher, ob er gleich keine einzige Sprache weder lesen, schreiben noch sprechen konnte, dennoch bei alledem ein guter Offizier war.
    Des Abends spät schickte unser Leutnant zu dem Herrn Jones und ließ ihm sagen, woferne ihm ein Besuch keine Unruhe verursachte, so wolle er auf ein paar Worte zu ihm kommen. Diese Höflichkeit ward vom Herrn Jones sehr gut und mit Dankbarkeit aufgenommen, und demzufolge ging der Leutnant hinauf nach seinem Zimmer zu ihm, woselbst er den Verwundeten in weit bessern Umständen antraf, als er erwartete; sogar gab Jones seinem Freunde die Versicherung, er würde schon längst aus dem Bette aufgestanden sein, wenn ihm der Wundarzt nicht ausdrücklich das Gegenteil befohlen hätte; denn er dünke sich so wohl zu befinden, als jemals, und spüre keine andre Folgen von seiner Wunde, als große Kopfschmerzen an derselbigen Seite.
    »Es sollte mir sehr lieb sein,« sagte der Leutnant, »wenn Sie sich so wohl befänden, als Sie sich's einbilden; denn so wären Sie im stande, sich ohne Aufschub Recht zu verschaffen, denn wenn sich eine Sache nicht anders ausgleichen läßt, wie es bei erfolgten Thätlichkeiten der Fall ist, so ist das beste, seinen Mann je eher je lieber vor die Klinge zu nehmen! Aber ich besorge, Sie halten sich für besser als Sie sind; und er hätte zu große Vorteile über Sie.«
    »Ich will's unterdessen doch versuchen,« antwortete Jones, »wenn Sie's erlauben und so gütig sein wollen mir einen Degen zu leihen, denn ich habe keinen eigenen bei mir.«
    »Mein Degen ist Ihnen herzlich gern zu Dienste, mein lieber Kamerad,« sagte der

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