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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Beschaffenheit war, daß er eine Offizierstelle zu bekleiden verdiente. Wofern also seine Niederträchtigkeit irgend einem andern als ihm selbst mit Recht zur Last fallen kann, so trifft solches bloß diejenigen, welche ihm sein Patent erteilten.

Zehntes Buch.
    In welchem die Geschichte eine Zeit von zwölf Stunden fortrückt.
     
    Erstes Kapitel.
    Enthält Anweisungen für die neueren Kunstrichter; sehr nötig und nützlich zu lesen.
     
    Günstiger Leser! Wir können unmöglich wissen, was für eine Art von Person du bist: denn vielleicht bist du in der menschlichen Natur ebenso gelehrt, als selbst Shakespeare war; und vielleicht bist du nicht weiser als einige von seinen Editoren. Da nun dies letztere gar leicht der Fall sein möchte, so erachten wir für diensam, dir, ehe wir weiter miteinander fortgehen, einige heilsame Warnungen zu geben, damit du uns nicht ebenso gröblich mißverstehen und andern mißdeuten mögest, als einige der besagten Editoren ihren Autor mißverstanden und mißdeutet haben.
    Zuerst also warnen wir dich, keinen von den Vorfällen und Begebenheiten in dieser Geschichte zu voreilig als unbedacht und unserm Hauptzwecke außerwesentlich zu verdammen, weil du nicht sogleich begreifen kannst, auf welche Art eine solche Nebengeschichte zu jedem Hauptzwecke mitwirkend sei. Man kann dies Werk in der That betrachten, [180] als eine große Schöpfung nach unserm eigenen Plane; und für ein kleines Würmchen von einem Kunstrichter wäre es die albernste Verwegenheit, wenn er sich's herausnehmen wollte, hie und da einen Teil derselben zu tadeln, ohne daß er weiß, auf welche Weise das Ganze zusammenhängt, und ehe er noch bis zu der entscheidenden Katastrophe gelangt ist. Die Anspielung und Metapher, deren wir uns hier bedient haben, ist, wie wir gestehen müssen, unendlich zu groß für diese Veranlassung; aber wirklich wissen wir keine andere, welche nur einigermaßen passend wäre, die Kluft zwischen einem Autor von der höchsten Klasse und einem Kritiker von der niedrigsten auszudrücken. Eine andre Vorsicht aber, die wir dir, gutes Würmchen, empfehlen möchten, ist, daß du keine zu nahe Aehnlichkeit unter gewissen hier aufgestellten Charakteren finden mögest; wie zum Beispiel unter den Gastwirtinnen, wovon die eine im siebenten und die andere im neunten Buche auftritt. Du mußt wissen, Freund, daß es gewisse charakteristische Züge gibt, in welchen die meisten einzelnen Personen von jedem Gewerbe und jeder Hantierung sich einander ähneln. Die Kunst, diese Züge beizubehalten, und doch zugleich eine Verschiedenheit in ihre Art zu handeln und sich auszudrücken zu legen, ist eins von den Talenten eines guten Schriftstellers. Ein zweites besteht darin, die feinen Abstiche unter zwei Personen, welche von einerlei Laster oder Thorheit in Bewegung gesetzt werden, nicht zu verwirren; und so wie sich dieses letzte Talent nur bei sehr wenigen Schriftstellern findet, so ist es auch nur die Sache sehr weniger Leser, solche richtig zu beurteilen, ob ich gleich glaube, daß diese Bemerkung eines der größten Vergnügen für diejenigen sei, denen es gegeben ist, diese Entdeckung zu machen. Jedermann zum Beispiel kann die Charaktere des Sir Epikur Mammon und des Sir Fopling Flutter unterscheiden; um aber den Unterschied zwischen Sir Fopling Flutter und Sir Courtly Nice wahrzunehmen, dazu wird schon eine größere Beurteilungskraft erfordert, deren Mangel es macht, daß gemeine Zuschauer einem Schauspiele oft sehr großes Unrecht thun. Denn ich habe oft einen dramatischen Dichter in Gefahr gesehen, auf ein weit verdächtigeres Zeugnis, als die Aehnlichkeit der Handschriften nach den Gesetzen geachtet wird, als ein Dieb verurteilt zu werden. Ich würde in der That besorgen, daß eine jede liebesieche Witwe in einem Schauspiele Gefahr liefe, als eine sklavische Nachahmung der Dido verdammt zu werden, wenn nicht zum Glück nur wenige von unsern Kunstrichtern im Parterre Latein genug verständen, um den Virgil zu lesen. Eine fernere Warnung für dich, mein würdiger Freund, (denn vielleicht kann es um dein Herz besser stehen als um deinen Kopf) ist, keinen Charakter deswegen für schlecht zu halten, weil er nicht vollkommen [181] gut ist. Wenn du an jenen Mustern der Vollkommenheit dein Behagen findest, so gibt es Bücher genug, welche für deinen Geschmack geschrieben sind; wir aber, die wir während des Laufes unseres Umgangs mit der Welt niemals auf eine solche Person gestoßen sind, wir haben

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