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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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gestehen, daß sie's war, die sich im Bett befand), welche, wie ich voraussetze, aus dem Schlafe erwachte, und zwei Mannspersonen in ihrer Kammer sich balgen sah, auf eine fürchterliche Weise an zu schreien, und über Mord, Diebstahl, und am meisten über Notzucht zu rufen, über welches letzte sich vielleicht einige meiner Leser wundern mögen, welche nicht bedenken, daß dergleichen Ausrufungsworte von Damen, wenn sie in Angst sind, ebenso gebraucht werden, wie die Silben va la la la ra in der Musik als eine andre Art von Solmisation, um die Töne zu artikulieren und ohne sonst etwas Weiteres dabei zu denken.
    Gerade an dem Schlafzimmer der Dame ruhte der Körper eines andern irländischen Herrn, welcher zu spät in dem Gasthofe ankam, um vorher schon erwähnt zu werden. Dieser Herr war einer von denen, welche die Irländer einen Kalabalaro oder Kavalier nennen. Er war der jüngere Bruder aus einer guten Familie, der, weil er von Haus aus kein Vermögen hatte, genötigt war, sich in der Fremde umzusehen, um dazu zu gelangen; zu diesem Ende war er auf dem Wege nach Bath, um sein Glück durch Karten und Weiber zu versuchen.
    [185] Dieser junge Herr lag im Bett und las in einem von den neuesten Mode-Romanen, denn es war ihm von einem Freunde gesteckt worden, das beste und wirksamste Mittel, sich bei den Damen beliebt zu machen, würde sein, wenn er seinen Verstand ausbildete und seinen Geist durch schöne Schriften aufzuklären suchte. Er hörte also nicht so bald den heftigen Tumult im nächsten Zimmer, als er von seinem Polster aufsprang, seinen Degen in eine, und das vor ihm stehende, brennende Licht in die andre Hand nahm, und damit geradewegs nach Madame Waters Zimmer wanderte. Wenn anfangs der Anblick eines dritten Mannes im Hemde die schamhaften Augen der Dame noch um etwas mehr beleidigte, so that er ihr auch dadurch wieder wohl, daß er ihre Furcht um ein merkliches verminderte, denn der Kalabalaro setzte kaum seinen Fuß ins Zimmer, als er ausrief: »Herr Fitz Patrick, was Teufel ist das hier gemeint?« Worauf der andre unmittelbar antwortete: »O Herr Macklachlan, ich bin von Herzen erfreut, Sie hier zu sehen. – Der Kerl da hat mir mein Weib verführt und ist mit ihr zu Bett gangen.« – »Wen! Ihre Gemahlin?« rief Macklachlan. »Kenn' ich etwa Madame Fitz Patrick nicht ebensogut als mich selbst? Und seh' ich nicht, daß die Dame, bei welcher der Herr, der hier im Hemde steht, im Bette liegt, gar nicht Madame Fitz Patrick ist?«
    Fitz Patrick, der nunmehr sowohl durch den kleinen Schimmer, den er von der Dame aufgefaßt, als aus der Stimme, die er in weit größerer Entfernung als er jetzt vor ihr stand hätte unterscheiden können, gewahr ward, daß er einen sehr unglücklichen Irrtum begangen hätte, fing an, die Dame tausendmal um Verzeihung zu bitten, und wandte sich darauf gegen den Herrn Jones und sagte: »Ich wollte wohl, daß Sie sich's merkten, Sie bitt' ich nicht um Vergebung, denn Sie haben mich geschlagen, und dafür bin ich entschlossen, morgen früh Ihr Blut zu sehen.«
    Jones nahm diese Drohung mit vieler Verachtung auf und Herr Macklachlan antwortete: »Fürwahr, Herr Fitz Patrick, Sie sollten sich in Ihre eigne Seele und Seligkeit schämen, die Leute so bei nachtschlafender Zeit zu beunruhigen; wenn nicht alle Menschen im Hause schlafen thäten, so hätten Sie sie gewiß ebensogut aufgeweckt als mich. Der Herr da hat gethan, was Sie verdienten. Bei meiner armen Seele, hätten Sie meiner Frau so begegnet, obschon ich keine habe, ich wollt' Ihnen das Eingeweide aus dem Leibe fressen.«
    Jones war vor Besorgnis um den guten Namen der Dame dergestalt betreten, daß er nicht wußte, was er sagen oder thun sollte. Aber der Witz der Damen ist nach allgemeiner Beobachtung viel behender als der der Männer. Sie erinnerte sich, daß aus ihrem [186] Zimmer eine Zwischenthüre nach demjenigen ging, welches Herr Jones inne hatte. Voll Zuversicht also auf seine Ehre und auf ihre eigne Dreistigkeit antwortete sie: »Ich weiß nicht, was die schändlichen Leute wollen, ich bin nicht das Weib von irgend einem von euch! Hilfe! Notzucht! Mörder! Notzucht!« – Und da nunmehr die Wirtin des Hauses ins Zimmer trat, fiel Madame Waters sie an mit dem bittersten Eifer und sagte: »Sie hätte gemeint, sie wär' in einem ehrlichen Hause und in keinem Bordell, aber da wäre die Rotte von Gesindel in ihr Zimmer gebrochen mit schändlichen Absichten auf ihre Ehre, wo nicht gar auf ihr Leben, und beide wären

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