Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
Erwähnung gethan hätte, leugnete aber mit vielen Schwüren eine dergleichen Ursache dafür angeführt zu haben. Und daß er überhaupt von dieser Sache etwas gemeldet habe, entschuldigte er mit seinem Mangel an Geld, welcher dadurch veranlaßt worden, daß er seine Güter in Irland zu lange vernachlässigt habe, und dieses, sagte er, welches ihm so sauer eingegangen wäre mir zu entdecken, sei die einzige Ursache, welche ihn genötigt habe, so stark auf unsre Reise zu dringen. Er bediente sich darauf mancher süßen Schmeichelei und beschloß mit einer sehr verliebten Umarmung und vielen heftigen Liebesbeteurungen.
    Es ergab sich ein Umstand, der, ob er sich gleich nicht darauf berief, bei mir zu seinem Vorteil viel Gewicht hatte, und das war das Wort Leibgedinge in der Schneiderepistel, weil meine Tante niemals verheiratet gewesen und dieses Herr Fitz Patrick recht gut wußte. Da ich mir also einbildete, daß der Schneider dies aus seinem eignen Kopfe oder auf bloßes Hörensagen hätte einfließen lassen, so überredete ich mich, daß er auf keine bessere Befugnis die abscheuliche Stelle zu schreiben gewagt haben könnte. Was für eine Art zu schließen war dies, meine Beste? War ich nicht vielmehr Advokat als Richter? Doch warum erwähne ich eines solchen Umstandes, oder warum bezieh' ich mich darauf, um meine Vergebung zu rechtfertigen! Kurz, wäre er zwanzigmal strafbarer gewesen, die Hälfte der Zärtlichkeit und Liebe, welche er mir zeigte, würde mich vermocht haben, ihm alles zu verzeihen. Ich machte jetzt weiter keine Einwendung gegen unsre Abreise, welche er auf den nächsten Morgen veranstaltete, und in wenig mehr als einer Woche Zeit langten wir auf dem Landsitz des Herrn Fitz Patrick an.
    Ihre Neugierde wird mir's verzeihn, daß ich keinen von den Vorfällen erzähle, die uns unterwegs aufstießen: denn es würde mir höchst unangenehm sein, den Weg noch einmal zu reisen, und Ihnen nicht weniger, diese Reise mit mir zu machen.
    Also: der Landsitz ist ein altes Gebäude auf einem Edelgute. [246] Wenn ich mich in einer von jenen fröhlichen Launen befände, in welchen Sie mich so oft gesehen haben, könnt' ich's Ihnen lächerlich genug beschreiben. Es sah so aus, als ob es vor diesem von einem Landjunker bewohnt worden wäre. Raum genug hatte es und durch Möbeln war der Raum gar nicht beengt, denn an Hausrat war der Vorrat äußerst gering. Eine alte Frau, die mit den Gebäuden gleiche Anzahl von Jahren auf dem Nacken zu haben schien und der Alten sehr ähnlich sah, deren Chamont im Trauerspiel ›Der Waise‹ erwähnt, empfing uns an der Pforte und bewillkommte ihren Herrn mit einem Geschnatter, das mir kaum eine menschliche Sprache zu sein schien, wenigstens mir ganz unverständlich war. Kurz, die ganze Szene war so grauenvoll und melancholisch, daß mein Gemüt dadurch äußerst niedergeschlagen wurde, und mein Ehemann, der diese Niedergeschlagenheit merkte, vermehrte, anstatt mich aufzurichten, solche noch durch zwei oder drei hämische Anmerkungen. ›Sie sehen, Madame,‹ sagte er, ›es gibt anderwärts außer England auch gute Häuser, aber vielleicht wohnten Sie lieber zur Miete in einem schmutzigen Loche zu Bath.‹
    Glücklich, meine liebste Kousine, ist die Frau, welche in irgend einem Stande des Lebens einen freundlichen gutmütigen Gefährten hat, der sie aufrichtet und tröstet! Aber warum denk' ich an glückliche Umstände des Lebens, um nur mein Elend noch zu erschweren! Mein Gefährte, weit entfernt, das traurige Dunkel der Einsamkeit aufzuheitern, überzeugte mich sehr bald, daß ich mit ihm an jedem Orte und in allen Umständen hätte unglücklich sein müssen. Mit einem Wort, er war ein mürrischer Wrantpott; ein Charakter, den Sie vielleicht noch niemals gesehen haben: und in der That lernt ein Frauenzimmer ihn niemals an einem andern kennen, als an einem Vater, einem Bruder oder einem Ehemann; und ob Sie gleich einen Vater haben, so hat er doch von dieser Gemütsart nichts an sich. Dieser Murrkopf hatte mir vorher grade das Gegenteil geschienen und so schien er noch einem jedweden andern außer mir. Gütiger Himmel! wie ist es einem Manne möglich, so ununterbrochen außer dem Hause und in Gesellschaften einen so lügenhaften Charakter zu behaupten und die kränkende Wahrheit bloß in seinem eignen Hause zu zeigen? Hier, meine Beste, halten sich diese Männer für den beschwerlichen Zwang schadlos, welchen sie in der Welt ihrer Gemütsart auflegen; denn ich habe bemerkt: je

Weitere Kostenlose Bücher