Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
ein Metzger würde mit widrigem Gefühle dran gehen, ein schönes Pferd zu schlachten; und obgleich ein Wundarzt vielleicht nicht an Schmerzen denkt, wenn er ein Glied abnimmt, so habe ich doch welche gekannt, die mit einem Anfalle vom Podagra Mitleiden fühlten. Der gewöhnliche Nachrichter, welcher Kehlen bei Hunderten zugeschnürt hat, pflegt bekanntlich zu zittern, wenn er sein erstes Meisterstück mit dem Schwerte ablegen soll, und die eigentlichen Professoren im menschlichen Blute, welche in ihrem Kriegeshandwerke bei Tausenden nicht nur ihre feindlichen Mitprofessoren, sondern Weiber und Kinder ohne Gewissensrüge niedermetzeln: eben diese, sage ich, legen oft in Friedenszeiten, wann Trommeln und Trompeten beiseite gelegt worden, ihre Wildheit ab und werden sehr zahme Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft. Ebenso können Advokaten und Prokuratoren alles Elend und allen Jammer ihrer Mitmenschen fühlen, vorausgesetzt nur, daß sie eben nicht gegen sie im Dienst sind.
    Jones, wie der Leser weiß, war selbst noch unbekannt mit den sehr schwarzen Farben, mit welchen er bei Herrn Alwerth vorgestellt war; und was die übrigen Sachen anbetraf, so zeigte er solche nicht gerade in dem nachteiligsten Lichte; denn so abgeneigt er war den geringsten Tadel auf seinen vorigen Freund und Beschützer fallen zu lassen, so wenig war er doch auch willens, gar zu vielen auf sich selbst zu häufen. Dowling machte daher die Anmerkung, und nicht ohne Grund, daß ihm jemand sehr schlimme Dienste geleistet haben müßte: »Denn gewißlich,« sagte er, »wegen einiger wenigen Fehler, welche ein jeder junger Mensch hätte begehen können, würde sie der Junker niemals enterbt haben. Zwar kann ich so eigentlich nicht sagen enterbt, denn nach den Gesetzen sind Sie freilich nicht Erbe, das ist gewiß, das ist so klar, daß es darüber kein Gutachten eines Rechtskonsulenten bedarf. Indessen da Sie der gute Herr gewissermaßen als seinen eignen Sohn adoptiert hatte, so hätten Sie billigerweise auf ein ansehnliches Vermächtnis rechnen können; ja hätten Sie die ganze Erbschaft erwartet, so hätte ich Sie darüber keineswegs getadelt; denn ein jeder ist sich selbst der nächste, und sucht so viel zu bekommen als er kann, und ich sehe nicht, wer ihn darüber tadeln wollte.«
    [16] »In der That, Sie thun mir Unrecht,« sagte Jones, »ich hätte mir mit sehr wenigem genügen lassen. Ich habe niemals eine Absicht auf Herrn Alwerths Vermögen gehabt, ja ich glaube, ich kann es mit Wahrheit sagen, ich habe niemals daran gedacht, was er mir geben könnte oder würde. Das beteure ich aufs feierlichste, hätte er mich zum Nachteile seines Neffen begünstigt, ich selbst hätte sein Testament berichtigt. Ich hätte lieber meiner eignen Ruhe genossen, als des Vermögens eines andern Mannes. Was ist der armselige Stolz auf ein prächtiges Haus, eine zahlreiche Dienerschaft, eine wohlbesetzte Tafel und auf alle übrigen scheinbaren Vorzüge des Reichtums, verglichen mit der innerlichen unerschütterlichen Zufriedenheit, dem herzerhebenden Vergnügen, dem wollüstigen Entzücken der hohen Siegesfreude, welche ein wirklich guter Mensch in dem Bewußtsein einer großmütig tugendhaften, edlen, menschenfreundlichen Handlung genießt! Ich beneide Blifil um die Aussicht auf seinen Reichtum nicht; so wie ich ihm auch den wirklichen Besitz desselben nicht beneiden werde. Ich möchte nicht mit ihm tauschen für eine halbe Stunde, in welcher ich mich für einen Schurken halten müßte. Ich glaube wirklich, Blifil hatte mich mit den Absichten im Verdacht, deren Sie erwähnen, und ich will annehmen, daß dieser Argwohn, sowie er aus der Niederträchtigkeit seines Herzens entsprang, also auch die Niederträchtigkeit, die er an mir verübte, erzeugt hat. Aber ich danke dem Himmel, ich fühle – ja, ich fühle meine Unschuld, mein Freund; und dieses Gefühl möchte ich um die ganze Welt nicht missen; denn solange ich weiß, daß ich keinem Wesen in der Welt Unrecht gethan habe, oder nur Unrecht habe thun wollen:
     
    Pone me pigris, ubi nulla campis
    Arbor aestiva recreatur aura,
    Quod latus mundi nebulae malusque Jupiter urget;
    Pone sub curru nimium propinqui
    Solis, in terra domibus negata;
    Dulce ridentem Lalagen amabo, dulce loquentem.
     
    Irrt' ich auch in Gegenden, wo kein linder
    Lufthauch je den dürrenden Baum erquicket,
    Wo ein dicker Nebel, ein finstrer Himmel ewig das Land drückt;
    Irrt' in Gegenden, wo der Sonne Wagen
    Dicht vorüber der

Weitere Kostenlose Bücher