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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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menschenlosen Flur fährt;
    Dennoch werd' ich die lächelnd-schwätzend-süße Lalage lieben.«
     
    Hierauf schenkte er sich ein Glas Wein voll bis an den Rand und leerte es aus auf die Gesundheit seiner teuren Lalage; füllte dann Dowlings Glas gleichfalls voll bis zum Streichen und drang drauf, ihm Bescheid zu thun. »Nu, auf Demoiselle Lalages Gesundheit [17] von ganzem Herzen!« rief Dowling. »Ich habe ihre Gesundheit schon oft ausbringen gehört, das versichre ich Sie, ob ich sie gleich niemals gesehen habe. Man hat mir aber gesagt, sie soll wunderschön sein.«
    Obgleich das Latein nicht das einzige war, was Dowling in dieser Rede nicht so völlig verstand, so war darin doch etwas, das einen starken Eindruck auf ihn machte, und ob er zwar alles mögliche that, durch Kopfnicken und Schütteln, durch trocknes Händewaschen und Zähneblecken diesen Eindruck vor Herrn Jones zu verbergen (denn wir schämen uns ebenso oft davor, daß wir richtig denken, als daß wir unrecht denken): so ist doch gewiß, daß er insgeheim von seinen Gesinnungen ebensoviel billigte, als er davon verstand, und daß er einen heftigen Drang zum Mitleiden mit ihm fühlte. Doch wir nehmen vielleicht eine andere Gelegenheit wahr, uns über diese Materie mehr zu erklären, besonders wenn uns der Herr Dowling im Laufe dieser Geschichte nochmals wieder aufstoßen sollte. Gegenwärtig sind wir genötigt, ein wenig kurz abzubrechen und von diesem Herrn Abschied zu nehmen, wie es Herr Jones machte, der nicht so bald von Rebhuhn vernommen, daß die Pferde fertig wären, als er seine Zeche niederlegte, seinem Gesellschafter eine gute Nacht wünschte aufsaß und nach Coventry zu ritt, obgleich die Nacht finster war, und es eben anfing ziemlich stark zu regnen.

Elftes Kapitel.
    Unfälle, welche Jones auf seinem Wege nach Coventry begegnen, nebst Rebhuhns weisen Anmerkungen.
     
    Keine Heerstraße kann ebener sein, als von dem Orte an, wo sie jetzt waren, bis nach Coventry; und ob solche gleich weder Jones noch Rebhuhn, noch der Vorreiter jemals gereist waren, so würde es ihnen doch fast unmöglich gewesen sein, ihren Weg zu verfehlen, wäre es nicht der zwei Ursachen wegen geschehen, deren wir am Schluß des letzten Kapitels gedacht haben.
    Da sich aber diese beiden Umstände zum Unglück darein mischten, so gerieten unsre Reisenden auf einen weit weniger beschlagenen Weg; und nachdem sie fast zwei gute Stunden geritten waren und bei dem stolzen Turme von Coventry angelangt sein sollten, befanden sie sich noch in einem sehr kotigen Hohlwege, wo sie kein Zeichen gewahr werden konnten, daß sie sich den Außenwerken einer großen Stadt näherten.
    Jones erklärte jetzt, sie müßten gewiß ihren Weg verloren haben; aber der Wegweiser bestand drauf, das wäre unmöglich: ein [18] Wort, welches im gemeinen Leben häufig gebraucht wird, nicht um etwas anzudeuten, was etwa unwahrscheinlich ist, sondern oft sogar, was sehr vermutlich und zuweilen schon wirklich und gewiß geschehen ist. Diese hyberbolische Gewaltthätigkeit ist jener ähnlich, welche den Worten unendlich und ewig so häufig angethan wird; durch das erste derselben ist es gewöhnlich, eine Weite von ein paar Fuß, und durch das letzte eine Dauer von etwa fünf Minuten auszudrücken. Und ebenso gewöhnlich ist es, die Unmöglichkeit zu behaupten, etwas verlieren zu können, was bereits verloren ist. Dies war auch hier der eigentliche Fall; denn der Vorreiter mochte noch so zuversichtlich und gewiß das Gegenteil behaupten, so war es ausgemacht, daß sie sich ebensowenig auf dem rechten Wege gen Coventry befanden, als der betrügerische, habsüchtige, scharrende, grausame, heuchlerische Geizhals auf dem rechten Wege zum Himmel ist.
    Für einen Leser, der sich niemals in ähnlichen Umständen befunden hat, mag es wohl nicht leicht sein, sich das Grausen vorzustellen, womit Finsternis, Regen und Wind solche Leute anfüllen, welche des Nachts von ihrem rechten Wege abgekommen sind und welche folglich die angenehme Aussicht auf ein warmes Zimmer, trockene Kleidung und andre Erquickungen nicht haben, um ihre Kräfte bei dem Kampfe gegen rauhe und ungestüme Witterung emporzuhalten. Aber auch ein sehr unvollkommener Begriff von diesem Grausen wird gleichwohl hinreichen, die ängstlichen Grillen zu erklären, welche jetzt Rebhuhns Kopf anfüllten und welche wir jetzt genötigt sein werden, dem Leser zum besten zu geben.
    Jones behauptete mit immer zunehmender Gewißheit, daß sie nicht mehr auf dem

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