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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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welchen diese vereinte Kraft bei Ueberredungen und Bitten hat, muß jedem aufmerksamen Beobachter sichtbar gewesen sein, denn er muß oft gesehen haben, daß, wenn ein Vater, eine Mutter, eine Ehefrau, oder sonst eine andre Person von häuslicher Macht und Gewalt gegen alle Gründe, welche ein einzelner Mann anführen konnte, steif und fest auf ihrer Weigerung beharrten, sie hernach sich auf Wiederholung eben dieser Gründe ergaben, wenn solche von einer zweiten oder dritten Person kamen, die sich der Sache unterzog, ohne sich die Mühe zu geben, zu ihrem Behuf irgend etwas Neues vorzubringen. Und hieraus ist vielleicht die Redensart entstanden, [12] einen Vorschlag oder eine Anrede unterstützen helfen, welche zweite Person bei allen öffentlichen Debatten, im Parlament sowohl als in andern Versammlungen von solcher Wichtigkeit ist, daß ohne sie auf keinen Vorschlag geachtet wird. Daher kommt's auch wahrscheinlicherweise, daß wir vor unsern öffentlichen Gerichtsbänken oft einen gelehrten Herrn (gewöhnlich einen graduierten Juristen) stundenlang eben dasselbige wiederholen hören, was ein andrer gelehrter Herr von seinen Kollegen eben vorher gesagt hatte. Anstatt hiervon die Gründe auszumachen, wollen wir nach unsrer gewöhnlichen Weise fortfahren, davon ein Beispiel in dem Betragen des vorgenannten Burschen aufzustellen, welcher sich der Ueberredung des Herrn Dowling fügte, und dem Herrn Jones versprach, ihn noch einmal auf dem Quersattel reiten zu lassen, aber drauf bestand, daß er dem armen Vieh vorher ein gutes Futter geben müßte, weil es, wie er sagte, einen großen Weg gemacht und scharf gelaufen wäre. In der That war diese Vorsicht des Kerls unnötig, denn Jones würde dies ungeachtet seiner Eile und Ungeduld von selbst befohlen haben, war er doch keineswegs einerlei Meinung mit jenen, welche Tiere für bloße Maschinen halten, und wenn sie ihre Sporen in das Fell ihrer Pferde setzen, sich einbilden, Sporn und Pferd hätten einerlei Empfindungsvermögen gegen Schmerzen.
    Unter der Weile, daß die Pferde ihren Hafer fraßen oder vielmehr wir voraussetzen, daß sie ihn fraßen, (denn unterdessen, daß der Kerl Sorge trug, sein selbst in der Küche zu pflegen, trug der Hausknecht große Sorge, daß sein Hafer nicht im Stalle drauf ginge,) begleitete Herr Jones den Herrn Dowling auf dessen dringendes Verlangen nach seinem Zimmer, wo sie sich zu einer Flasche Wein mit einander niedersetzten.

Zehntes Kapitel.
    In welchem Herr Jones und Herr Dowling ihr Glas Wein miteinander trinken.
     
    Herr Dowling, der sich ein Glas einschenkte, brachte die Gesundheit aus. »Auf den wackern Junker Alwerth,« und fügte hinzu: »Wenn's Ihnen nicht zuwider ist, mein Herr, so wollen wir auch seinen Neffen und Erben, den jungen Junker mit einschließen: wohlan, mein Herr, stoßen Sie an, auf Herrn Blifil! Es ist ein wackrer junger Herr, und der einmal eine sehr ansehnliche Figur in seiner Grafschaft machen wird, das wollt ich wohl schwören! Ich hab' auch schon ein Städtchen im Auge, das ihn einmal ins Parlament wählen soll.«
    [13] »Mein Herr,« antwortete Jones, »ich bin überzeugt, daß Sie nicht die Absicht haben, mich beleidigen zu wollen; deshalb will ich's auch nicht übel nehmen; aber das versichr' ich Sie, Sie haben da zwei Personen zusammengestellt, die gar nicht zusammen gehören; denn die eine ist die Krone des menschlichen Geschlechts, und der andere ist ein Bube, welcher der Menschheit Schande macht.« Dowling stutzte hierüber. Er sagte, er meinte beide Herren wären von einem ganz unbescholtnen Charakter. »Was den alten Herrn betrifft,« sagte er, »so hab' ich niemals das Glück gehabt, ihn zu sehn; aber die ganze Welt spricht von seinem Adel des Herzens. Und was den jungen Herrn betrifft, so hab' ich ihn freilich nur ein einziges Mal gesehen, als ich ihm die Nachricht von dem Tode seiner Mutter überbrachte, und damals war ich, wegen überhäufter Menge von Geschäften, so eilig, so gedrängt und getrieben, daß ich kaum Zeit hatte, etwas mit ihm zu sprechen. Aber er hatte ein so honettes, verständiges Ansehn, und betrug sich so räsonabel, daß ich Sie versichern kann, noch mit keinem Edelmann vergnügter gewesen zu sein in meinem ganzen Leben.«
    »Es wundert mich nicht,« antwortete Jones, »daß er bei einer so kurzen Bekanntschaft jemand täuschen konnte; denn er besitzt die List und Verschlagenheit eines Teufels, und man kann Jahre lang mit ihm umgehen, ohne ihm hinter die Schliche zu kommen.

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