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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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können Sie erfahren, ob er Sie annehmen will.«
    Jones erklärte jetzt, er habe eine dringende Angelegenheit bei der jungen Dame und könne nicht weggehn, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Worauf der Thürwärter mit eben nicht angenehmer Stimme oder angenehmem Blick bekräftigte, in dem Hause hier wäre keine junge Dame, und folglich könnte er auch mit keiner sprechen; wobei er hinzusetzte: »Wahrlich, Sie sind der seltsamste Mensch, der mir noch vorgekommen ist, denn Sie wollen sich ja gar nichts sagen lassen.«
    Ich habe oft gedacht, Virgil könnte wohl bei seiner genauen Beschreibung des Cerberus, des Thorwärters von der Hölle, im sechsten Gesange der Aeneide, die Absicht gehabt haben, eine Satire auf die Thürwärter der vornehmen Herrn seiner Zeit zu schreiben. Zum wenigsten gleicht das Gemälde denjenigen ganz, welche die Ehre haben, an den Thüren unserer großen Herren aufzupassen. Der Thürsteher in seiner Loge gleicht ganz genau dem Cerberus in seiner Höhle; und gleich diesem, muß jener erst mit einem Fraß geschweigt werden, ehe man vor seinen Herrn gelangen kann. Vielleicht mochte ihn Jones in diesem Lichte betrachtet und sich der Stelle erinnert haben, wo die Sibylle, um dem Aeneas den Eingang zu verschaffen, dem Wächter vor den Pforten der Hölle den in Honig getunkten Kuchen vorwirft. Denn auf gleiche Weise begann jetzt Herr Jones dem menschlich gestalteten Cerberus eine Bestechung anzubieten; und ein Livreebedienter, der es von ferne hörte, kam augenblicklich herbei und erklärte: Wenn Herr Jones ihm die angebotene Summe geben wollte, so wolle er ihn zu der Dame hinführen. Jones ließ sich dies augenblicklich gefallen und ward ohne fernern Aufenthalt von demselben Menschen, der des Tages vorher die beiden Damen dahin gebracht hatte, zu Madame Fitz Patricks Wohnung geführt.
    [45] Nichts macht uns über eine vereitelte Hoffnung mißvergnügter, als wenn wir unserm Wunsche sehr nahe zu sein geglaubt haben. Der Spieler, welcher seine Partie in Piquet nur um einen einzigen Point verliert, beklagt sich zehnmal mehr über sein Unglück, als derjenige, welcher nicht so weit zählte, daß er Hoffnung haben konnte, das Spiel zu gewinnen. Ebenso bei den Lotterien: die Besitzer der nächsten Nummern von derjenigen, die das größte Loos gewonnen hat, pflegen sich für unglücklicher zu halten, als ihre übrigen Mitverspieler. Kurz! dieses »unserm Wunsche auf ein Haarbreit nahe gewesen zu sein« hat das Ansehn eines beleidigenden Gespötts der Madame Fortuna, welche solchergestalt uns zu äffen und auf unsere Kosten ihren Mutwillen zu treiben scheint.
    Jones, der schon mehr als einmal solch neckende Gemütsart der heidnischen Göttin erfahren hatte, war jetzt abermals dazu verdammt, sich den Bissen vorm Munde entrückt zu sehen. Denn er kam vor der Thüre der Madame Fitz Patrick ungefähr nur zehn Minuten später an, als Sophie daraus weggegangen war. Er wandte sich jetzt an die Kammerjungfer der Madame Fitz Patrick, welche ihm die unangenehme Nachricht sagte, daß das Fräulein ausgezogen sei, und sie nicht sagen könne wohin? Und eben dieselbe Antwort bekam er auch hernach von Madame Fitz Patrick selbst. Denn weil diese Dame keineswegs zweifelte, Herr Jones müsse von ihrem Onkel Western abgeschickt sein, seine Tochter auszukundschaften, so war sie viel zu großmütig, ihre Freundin zu verraten. Ob nun gleich Jones diese Madame Fitz Patrick niemals gesehen, so hatte er doch wohl gehört, daß eine Cousine von Sophie an einen Herrn dieses Namens verheiratet worden wäre. Indessen kam ihm dieses bei dem gegenwärtigen Tumult in seinem Gemüte mit keiner Silbe wieder ins Gedächtnis. Als aber der Bediente, welcher ihn aus des Grafen Hause hieher gebracht hatte, von der genauen Vertraulichkeit unter beiden Damen Nachricht gegeben, und wie sie sich einander Cousine nennten, so erinnerte ihn solches an die Geschichte der Verheiratung, von der er ehemals gehört hatte; und da er sich alsobald überzeugte, daß dies eben das Frauenzimmer sein müßte, so nahm ihn die Antwort um desto mehr wunder, die er erhalten hatte, und er bat sehr ernstlich um die Erlaubnis, der Dame selbst aufwarten zu dürfen. Man schlug ihm aber diese Ehre ebenso rund ab.
    Jones, der freilich niemals am Hofe gewesen, hatte dennoch mehr Lebensart, als die meisten die dort leben, und war unvermögend, sich gegen eine Dame unhöflich oder ungezogen aufzuführen. Als er sonach eine deutliche abschlägige Antwort erhalten hatte, begab er

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