Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
von einander erfahren; und mir wäre es gewiß nicht zu verzeihen, wenn ich anders dabei verfahren wollte, da ich von dem bittern Elende, das eine so unkluge Heirat begleitet, nur zu sehr gekostet habe.«
Hier ward sie durch die Ankunft eines Besuchs unterbrochen, welches niemand anders war, als der Herr Graf. Da aber bei diesem Besuche nichts Neues oder Außerordentliches, oder dieser Geschichte Wesentliches vorfiel, so wollen wir hier diesem Kapitel ein Ende machen.
Drittes Kapitel.
Ein Projekt von Madame Fitz Patrick, und ihr Besuch bei Madame Bellaston.
Als Madame Fitz Patrick sich zur Ruhe begab, waren ihre Gedanken mit nichts anderm beschäftigt, als mit ihrer Cousine Sophie, und mit Herrn Jones. Sie war wirklich ein wenig unwillig auf [48] die erste, wegen ihrer Zurückhaltung, welche sie jetzt entdeckte. Mit diesem Nachsinnen hatte sie ihre Einbildungskraft noch nicht lange beschäftigt, als sich ihr der folgende Einfall darbot: Sie würde nach aller Wahrscheinlichkeit, wenn sie es durch ihre Vermittlung dahin brächte, daß Sophie diesem Manne nicht in die Hände geriete, sondern ihrem Vater wieder zugestellt würde, durch einen so wichtigen, der Familie geleisteten Dienst ihren Onkel und ihre Tante Western wieder mit sich aussöhnen.
Und so wie das einer von ihren herzlichsten Wünschen war, so schien auch die Hoffnung des glücklichen Erfolgs so vernünftig und gegründet, daß ihr nichts weiter übrig blieb, als auf die schicklichsten Mittel zu denken, ihren Entwurf zur Ausführung zu bringen. Es kam ihr nicht ratsam vor, es auf eine vernünftige Ueberlegung der Sache mit Sophien ankommen zu lassen; denn weil sie Betty, aus Jungfer Honoriens Erzählung, benachrichtigt hatte, daß Sophie eine heftige Neigung zum Herrn Jones hätte, so sah sie wohl ein, es würde einerlei Unternehmen sein, ihr diese Verbindung aus dem Sinne reden zu wollen, oder eine Mücke herzlich und angelegentlich zu bitten, sie möge doch nicht ins Licht fliegen.
Wenn der Leser so gütig sein will, sich zu erinnern, daß die Bekanntschaft, welche Sophie mit der Frau von Bellaston hatte, im Hause des hochwohlgebornen Fräuleins von Western begonnen, und also grade die Zeit hindurch gepflegt sein mußte, da Madame Fitz Patrick sich bei der letztern Dame aufhielt: so wird er der Erinnerung nicht bedürfen, daß Madame Fitz Patrick gleichfalls mit ihr bekannt gewesen sein müsse. Ueberdem waren beide noch etwas weitläufig mit ihr verwandt.
Nach vielem Hin- und herdenken beschloß sie also, des Vormittags ganz zeitig zu dieser Dame zu gehen, und, ohne daß Sophie es wüßte, mit ihr zu sprechen zu suchen, und sie mit der ganzen Sache bekannt zu machen. Denn sie zweifelte im geringsten nicht, diese sehr kluge Dame, die sehr oft die romanhaften Liebeleien und die unbesonnenen Heiraten in ihrem Gespräche lächerlich gemacht hatte, würde auch in Ansehung dieser Verplämperung sehr bald ihrer Meinung zustimmen und ihr allen möglichen Beistand leisten, um ihr zuvorzukommen.
Diesen Vorsatz setzte sie demnach ins Werk, und des nächsten Morgens, noch vor Sonnenaufgang, warf sie sich in ihre Kleider und ging zu einer sehr unschicklichen, unzeitigen, mode- und besuchwidrigen Stunde zur Frau von Bellaston, welche ihren Besuch annahm, ohne daß Sophie davon das geringste wußte oder argwöhnte. Diese lag damals noch, zwar nicht schlafend sondern wachend, in ihrem Bette und ließ sich von Jungfer Honoria etwas vorschnarchen.
[49] Madame Fitz Patrick machte eine Menge Entschuldigungen für diesen frühen, unvorbereiteten Besuch, zu einer Stunde, wo sie, wie sie sagte, nicht daran gedacht haben würde, die gnädige Frau zu besuchen, wenn es nicht eine der wichtigsten Angelegenheiten veranlaßt hätte. Sie eröffnete darauf die ganze Sache, erzählte alles, was sie von ihrer Betty gehört hatte, und vergaß auch nicht den Besuch, welchen Jones des vorigen Nachmittags bei ihr abgestattet hatte.
Die Frau von Bellaston antwortete mit einem Lächeln: »Sie haben also diesen furchtbaren Mann gesehen, Madame? Sagen Sie mir doch, ists denn wirklich eine so schöne Gestalt, als man ihn abmalt, denn die Fahrwin hat mich gestern abend fast zwei Stunden von ihm unterhalten. Das Mädchen, glaube ich, ist in ihn verliebt, auf Hörensagen!« Hier mag sich der Leser vielleicht ein wenig wundern! Die Wahrheit aber ist, daß die Jungfer Fahrwin, welche die Ehre genoß, die Frau von Bellaston ein- und auszuschnüren und aus- und anzukleiden, die
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