Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
keiner hat noch so innig die Not andrer Menschen gefühlt, als Sie. Was würden Sie fühlen, teuerster Vater, wenn Sie bedächten, daß Sie es selbst verursacht hätten? – Gewiß, gewiß, kein Elend könnte größer sein, als das Ihrige.« – »Als wessen, Kind,« sagte Alwerth, »was willst du damit sagen?« – »O liebster Vater,« antwortete Tom, »Ihr armer Wildmeister ist mit seiner Frau und vielen Kindern, seitdem Sie ihn abgedankt haben, fast vor Mangel und Hunger umgekommen. Ich konnt's nicht aushalten, diese armen Leute so nackt und verhungert zu sehen, und dabei zu wissen, daß ich die Ursache aller ihrer Leiden gewesen bin. – Ich konnt's nicht aushalten, liebster Vater, bei meiner Seele, ich konnt's nicht!« (Hier rieselten ihm die Zähren über die Wangen und er fuhr weiter fort) »Es war, um sie vom völligen Untergange zu retten, daß ich mein teures Geschenk hingab, ungeachtet ich es so unendlich lieb hielt. – Für sie habe ich das Pferd verkauft, und sie haben alles Geld bis auf den letzten Heller bekommen.«
    Hier stund Herr Alwerth einige Augenblicke im stillen Nachdenken, und ehe und bevor er sprach, stürzten ihm die Thränen aus den Augen. Endlich ließ er Tom mit einem sanften Verweise von sich, wobei er ihm den Rat gab, wenn es künftig darauf ankäme, jemand aus der Not zu helfen, so solle er sich lieber an ihn wenden, als zu außerordentlichen Mitteln greifen, um es für sich selbst allein zu thun.
    Diese Sache war nachher die Materie zu manchen Untersuchungen zwischen Schwöger und Quadrat. Schwöger hielt dafür, es wäre eine offenbare Auflehnung gegen Herrn Alwerth, dessen Absicht gewesen, den Kerl wegen seines Ungehorsams zu bestrafen. Er sagte: in einigen Fällen käme ihm das, was die Welt Barmherzigkeit nenne, vor, als ein Eingriff in den Willen des Allmächtigen, [115] welcher gewisse Personen ausgezeichnet hätte, unglücklich und elend zu sein, und hier wäre auf eben die Art, gegen den Willen des Herrn Alwerth gehandelt worden, und er beschloß, wie gewöhnlich, mit einer herzlichen Empfehlung seines Schulszepters.
    Quadrat focht hart dagegen an; vielleicht aus Parteilichkeit gegen Schwöger, oder auch aus Gefälligkeit gegen Herrn Alwerth, welcher das, was Tom gethan hatte, gar sehr zu billigen schien. Was er aber anführte, würde hier, da ich überzeugt bin, daß die meisten meiner Leser viel geschicktere Advokaten für den armen Jones sein müssen, unschicklich und vorlaut sein, zu erzählen. In der That war es nicht schwer, eine Handlung unter die Regel des Rechts zu bringen, die es unmöglich gewesen sein würde aus der Regel des Unrechts herzuleiten.

Neuntes Kapitel.
    Enthält eine Geschichte von einer schändlichern Art, mit Schwögers und Quadrats Kommentarien darüber.
     
    Ein Mann, der seiner Weisheit wegen weit berühmter war, als ich es bin, hat schon die Bemerkung gemacht, daß ein Unglück selten allein kommt. Ein Beispiel davon kann man, glaube ich, an solchen Herren sehen, welche das Unglück haben, daß eine von ihren Schelmereien entdeckt wird; denn selten steht die Entdeckung eher still, bis sie alle ans Tageslicht gebracht worden. So ging's mit dem armen Tom, dem nicht sobald der Verkauf seines Pferdes verziehen worden, als es ans Licht kam, daß er einige Zeit vorher eine schöne Bibel verkauft hätte, die ihm Herr Alwerth geschenkt, von welchem Schleichhandel er das Geld auf eben die Art verwendet hatte. Diese Bibel hatte der junge Herr Blifil, ob er schon selbst eine ähnliche hatte, teils aus Ehrfurcht für das Buch, teils aus Freundschaft für Tom erstanden, weil er nicht gern wollte, daß die Bibel für den halben Wert aus der Familie kommen sollte. Er erlegte diesen halben Wert also lieber selbst; denn er war ein sehr kluger Knabe, und so sorgsam für sein Geld, daß er fast jeden Pfennig, den er von Herrn Alwerth erhalten, bedächtlich aufgespart hatte. Einige Leute sind dafür berühmt gewesen, daß sie in keinem andern Buche, als ihrem eignen haben lesen können. Der gute Neffe Blifil hingegen brauchte, seitdem er im Besitz dieser Bibel war, niemals eine andere. Ja man sah ihn viel öfter darin lesen, als vorher in seiner eigenen. Da er nun Herrn Schwöger öfters um die Erklärung schwerer Stellen bat, so bemerkte der Herr [116] Informator unglücklicherweise Toms Namen, der hin und wieder in diesem Buche von seiner kindischen Hand gekritzelt war. Dies veranlaßte eine Untersuchung, welches Blifil nötigte, den ganzen Kaufhandel zu

Weitere Kostenlose Bücher