Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Herrn Alwerth, ehe er ihm die Sache entdeckte, darauf bestanden, er solle ihm Verschwiegenheit versprechen. Hierdurch aber ward der arme Jäger verdammt, ohne eine Gelegenheit zu haben sich zu verteidigen; denn da das Faktum des gemausten Hasen und der Anklage,
in puncto
Wilddieberei betreffend, ihre Richtigkeit hatte, so hegte Herr Alwerth in Ansehung des übrigen weiter keinen Zweifel.
Von sehr kurzer Dauer war also die Freude dieser armen Leute; denn schon den nächsten Morgen erklärte Herr Alwerth, er habe ganz neue Gründe (jedoch ohne sie anzuführen) für seinen Unwillen und verbot Tom aufs strengste, den Jakob nicht weiter vor ihm zu nennen; obgleich in Ansehung seiner Familie er, wie er sagte, suchen wolle, sie vor'm Hungerleiden zu bewahren; was aber den Kerl selbst beträfe, wolle er ihn den Gesetzen überlassen, in welche einen Eingriff zu thun ihn nichts bewegen könnte.
Tom konnte auf keine Art begreifen, was den Herrn Alwerth so in Harnisch gejagt hätte; denn auf seinen Spielgesellen Blifil den geringsten Argwohn zu werfen, fiel ihm nicht ein; gleichwohl, da seine Freundschaft durch ein oder den andern vergeblichen Versuch nicht gleich den Atem verlor, so entschloß er sich nunmehr, einen andern Weg einzuschlagen, um den armen Wildmeister vom äußersten Verderben zu retten.
[120] Jones war seit kurzem mit Junker Gestern sehr genau bekannt geworden. Er hatte sich bei diesem Landjunker durch sein Uebersetzen über hohe Schlagbäume und durch andere einen kühnen Weidmann zierende Handlungen dergestalt eingeschossen, daß der Junker erklärt hatte, aus dem Tom würde einst gewiß noch ein großer Mann werden, wenn ihm gehörig unter die Arme gegriffen würde. Er wünschte, daß er selbst einen Sohn von solchen hohen Gaben haben möchte, und eines Tages beteuerte er zwischen Flasche und Becher, Tom sollte um eintausend Pfund von seinem eignen Gelde mit einer Kuppel Hunde mit jedem Parforce-Jäger in der Nachbarschaft in die Wette jagen.
Durch dergleichen Talente war er dem Junker so lieb und wert, daß er ein sehr willkommener Gast bei seinem Tische und ein gar lieber Geselle bei seinen Jagden geworden war. Alles was der Junker am teuersten hielt, das heißt: seine Büchsen, Hunde und Jagdklepper standen jetzt unserm Jones ebensogut zu Befehl, als wären sie sein Eigentum gewesen. Daher faßte er den Entschluß, diese Gunst zum Besten seines Freundes anzuwenden und den schwarzen Jakob, nach seiner Hoffnung, bei Herrn Western in eben dem Dienst anzubringen, welchen er ehedem bei Herrn Alwerth versehen hatte.
Der Leser, wenn er bedenkt, daß dieser Kerl bei Herrn Western bereits in einem sehr schlechten Geruche stand, und ferner die Wichtigkeit des Verbrechens überlegt, wodurch dieser Herr zur Ungnade bewogen war, verurteilt vielleicht Toms Vorsatz als ein thörichtes und verzweifeltes Unternehmen. Wenn er indes den jungen Menschen deswegen nicht gänzlich verdammt, so wird er ihn darüber nicht wenig loben, daß er bei einem so kühnen Vorhaben alle ersinnliche Hilfe und Beistand aufsuchte.
Zu dem Ende nun wendete sich Tom an Junker Westerns Tochter, ein Fräulein von ungefähr fünfzehn Jahren, welche ihr Vater, nächst den vorherbenannten Gerätschaften der Jagd, über alle Dinge in der Welt lieb hatte. So aber, wie nun diese einigen Einfluß bei dem Junker hatte, so hatte auch Tom einigen Einfluß bei ihr selbst. Doch da dies die bestimmte Heldin unserer Geschichte und ein Mädchen ist, in welches wir selbst nicht wenig verliebt sind und in welches sich wahrscheinlicherweise mancher von unsern Lesern verlieben wird, ehe wir noch aus einander gehen, so ist es auf keine Weise schicklich, daß wir sie gerade am Ende eines Buchs zum erstenmale auftreten lassen sollten.
[121] Viertes Buch.
Umfaßt die Zeit eines Jahres.
Erstes Kapitel.
Enthält zehn Seiten beschriebenes Papier.
Obgleich unser Werk durch den Stempel der Wahrheit vor allen jenen schalen Romanen kennbar sein soll, in welchen es von solchen Mißgeburten wimmelt, die keineswegs Geschöpfe der Natur, sondern eines leeren Gehirns sind und deswegen von einem vortrefflichen Kunstrichter zum alleinigen Gebrauch der Pastetenbäcker und Pfefferkrämer empfohlen sind, so möchten wir doch auch auf der andern Seite die mindeste Aehnlichkeit mit jener Gattung von Geschichte vermeiden, welche, wie ein berühmter Poet dafür hält, nur zum Nutzen der Bierbrauer geschrieben worden, weil ein jeder, der sie lesen will, allemal eine Kanne
Weitere Kostenlose Bücher