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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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die ganze Geschichte zusammengenommen wäre wohl erzählenswert. Denn den Zustand der Nation verstehen der gnädige Herr Junker besser als ich, denn ich habe mich nur um den Seelenzustand meiner Pfarrkinder zu bekümmern.«
    »Nun, ja wohl,« sagte der Junker, »'ch sollt's glauben, ich verstünde mich 'n bischgen drauf, wie Sie sagen; aber, komm Tömgen, schenk' ein, und laß den Wein nicht verrauchen, 's ist an dich, 'ne Gesundheit auszubringen.«
    Tom bat, er möcht' ihn entschuldigen, weil er noch dringende Geschäfte habe; damit stand er vom Stuhle auf, entwischte den Klauen des Junkers, welcher aufstehen und ihn zurückhalten wollte, und ging ohne weitern Abschied zu nehmen davon.
    Der Junker schickte ihm einen derben Fluch nach auf die Reise; [157] drauf wandte er sich wieder an den Pfarrer und schrie heraus: »Ich rieche was, ich rieche was! Tom ist gewiß der Vater zum Bastard. Der Hagel, Magister, wissen's noch, wie er'n Vater gegen mich herausstrich und lobte, daß 'chn nehmen sollte. Hol'n der Satan! was das für'n listiger Dachs ist! Ja, ja, Tom ist der Vater zum Bastard, oder 'ch laß m'r mein'n Fuchs vernageln.«
    »Das sollte mir vom Herzen leid thun,« sagte Pastor Schickelmann. »Was leid thun,« schrie der Junker, »warum? was wär' nun so Greuliches dabei? was! ich glaub', der Herr Magister will m'r weiß machen, er habe nie'n Bastard in die Welt gesetzt. Hagel! ich halt'n für 'n viel wackrern Kumpan: mein'n Hals setz' 'ch drauf, er hat manchen Wackern in der Welt 'rumlaufen, und wer will dar was von?«
    »Der gnädige Herr Junker belieben zu spaßen,« antwortete der Pfarrer; »aber ich wollte nicht sowohl von der Sündlichkeit der That sprechen, ob die gleich auch in Betracht zu ziehen ist, sondern ich fürchte, seine Vergehungen können ihm beim Herrn Alwerth großen Schaden thun. Und, gewiß, ich muß es sagen, ob man ihn gleich für ein wenig zu wild hält, so hab' ich doch nichts Böses an ihm wahrgenommen, und auch andre haben mir nichts dergleichen von ihm gesagt, ausgenommen, was ich da eben vom gnädigen Herrn Junker vernehme. Ich möchte freilich wünschen, er käme ein wenig ordentlicher zum Katechismusexamen in die Kirche; sonst aber, überhaupt, scheint er
     
    Ingenui vultus puer ingenuique pudoris.
     
    Das ist ein lateinischer Vers, mein gnädiges Fräulein, und will in unsrer Muttersprache so viel sagen als:
     
    Ein Jüngling von angenehmer Gestalt und von angenehmer Bescheidenheit.
     
    Denn dies war bei den Lateinern und Griechen eine sehr hochgeschätzte Tugend; und ich muß sagen, der junge Herr (denn so mag ich ihn, ungeachtet seiner Geburt, wohl nennen) scheint mir ein sehr bescheidner, heiklicher Jüngling, und es sollte mir sehr leid thun, wenn er sich in des Herrn von Alwerths guter Meinung herabsetzte.«
    »Puh!« sagte der Junker, »herabsetzen in Alwerths Meinung! nu, nu! Alwerth haßt die Dirnen auch nicht. Weiß denn die ganze Nachbarschaft nicht, wessen Sohn Tom ist? 'm andern muß der Herr so was sagen: ich kenn' Alwerth noch von Universitäten her! –«
    »Ich dachte,« sagte Herr Schickelmann, »er hätte keine Universität besucht.«
    [158] »Doch, doch, das hat er!« sagte der Junker. »Und manche hübsche Nymphe haben wir zusammen gehabt! 'S war 'n solcher Nimrod auf die Menscher, als man nur weit und breit ein'n finden konnte. Nah, näh! bei ihme wird 'n das nicht schaden, da sein Sie nur ruhig d'vor, auch bei niemand sonst, da fragen Sie nur Sophien – nicht wahr, du bist kein'm jungen Kerl drum böse, wenn 'r 'n mal extra Vater wird; bist du wohl, Kind? Nah, näh! die Weibsen mögen sie drum nur desto lieber leid'n.«
    Dies war für die arme Sophie eine grausame Frage. Sie hatte bemerkt, daß Tom bei der Erzählung des Pfarrers sich entfärbt hatte, und dies, zusammengenommen mit seinem plötzlichen und übereilten Aufbruch, gaben ihr hinlängliche Ursache, zu glauben, ihres Vaters Argwohn sei nicht ohne Grund. Ihr Herz entdeckte ihr nun auf einmal das große Geheimnis, das es ihr, seit so langer Zeit schon, nur nach und nach entwickelt hatte; und sie fand, daß sie an der Sache sehr großen Teil nähme. In solch einer Lage brachte ihres Vaters plumpe Frage, womit er sie gleichsam plötzlich überfiel, einige Erscheinungen auf ihren Wangen hervor, welche ein zum Verdacht geneigtes Herz beunruhigen können. Aber das war, um gegen den Junker gerecht zu sein, sein Fehler gar nicht. Als sie demnach von ihrem Stuhl aufstand und zu ihm sagte, ein Wink von

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