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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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ihm wäre genug, um sie nach ihrem Zimmer zu schicken: so widersetzte er sich ihrem Weggehen nicht und sagte darauf mit sehr ernsthaftem Gesicht, es wäre besser eine Tochter zu haben, die gar zu bescheiden, als eine die gar zu dreist wäre. Eine Meinung, welcher der Pastor seinen vollen Beifall gab.
    Nun erfolgte zwischen dem Junker und dem Pfarrer ein gar vortrefflicher politischer Diskurs, der aus Zeitungen und Journalen zusammengestoppelt wurde, während welchem sie ein doppeltes Paar Flaschen auf die Wohlfart des Landes ausstachen; und als drauf der Junker in seinen festen Schlaf versunken war, zündete Herr Schickelmann seine Pfeife an, stieg auf sein Pferd und ritt heim.
    Als der Junker seinen halbstündigen Nachmittagsschlaf vollbracht hatte, verlangte er seine Tochter vor ihrem Klavier; allein sie bat, er möchte sie diesen Abend wegen heftiger Kopfschmerzen entschuldigen. Diese Nachsicht ward augenblicklich bewilligt: denn in der That hatte sie selten Gelegenheit, ihn zweimal um etwas zu bitten; weil er sie mit solch einer Inbrunst liebte, daß er gewöhnlich sich selbst den größesten Gefallen erzeigte, wenn er ihr in irgend etwas zu Willen sein konnte. Sie war wirklich, wie er sie oft nannte, sein kleines Herzblatt, und sie verdiente es auch zu sein; denn sie erwiderte ihm alle seine Liebe mit aufgehäuftem Maß. Sie hatte ihm in allen Dingen den unverbrüchlichsten Gehorsam [159] geleistet, und dies machte ihr ihre Liebe nicht bloß leicht, sondern so angenehm, daß Sophie einer von ihren Gespielinnen, welche einstmalen darüber lachte, daß sie sich ein solches Verdienst aus ihrem gewissenhaften Gehorsam mache (so beliebte es dies junge Frauenzimmer zu nennen), antwortete: »Sie irren sich, liebe Freundin, wenn Sie meinen daß ich mir daraus ein Verdienst mache; denn, außerdem daß ich bloß meine Pflicht erfülle, thue ich mir selbst den größten Gefallen. Ich kann mit Wahrheit sagen, daß ich kein Vergnügen habe, welches dem gliche, wenn ich zu meines Vaters Glückseligkeit etwas beitragen kann; und wenn ich mir aus etwas ein Verdienst mache, so ist es, daß ich dies Vermögen besitze, und nicht, daß ich es anwende.«
    Dies war übrigens ein Vergnügen, welches, diesen Abend zu genießen, die arme Sophie unfähig war. Sie bat also nicht nur um Entschuldigung, daß sie diesen Abend nicht am Klavier aufwarten könne, sondern ersuchte gleichfalls um die Erlaubnis, nicht beim Nachtessen erscheinen zu dürfen. Auch diese Erlaubnis bewilligte ihr der Vater, obgleich nicht ohne einigen Widerwillen; denn er ließ sie gar ungern aus dem Gesicht, ausgenommen, wenn er mit seinen Pferden, seinen Hunden oder seinen Weinflaschen zu thun hatte. Gleichwohl fügte er sich dem Bitten seiner Tochter, ungeachtet der arme Mann zu gleicher Zeit sich in der Notwendigkeit sah, um seine eigne Gesellschaft zu vermeiden (wenn ich mich so ausdrücken darf), zu ein paar benachbarten Pächtern zu schicken, um den Abend mit ihnen hinzubringen.

Elftes Kapitel.
    Wie Molly noch mit genauer Not dem Spinnhause entwischte, nebst einigen Beobachtungen, welche zu machen wir gezwungen gewesen, sehr tief in die menschliche Natur hineinzugehen.
     
    Tom Jones hatte den Morgen auf der Jagd eins von Junker Westerns Pferden geritten, so daß er, weil er kein eignes zur Hand hatte, sich genötigt sah, zu Fuß nach Hause zu gehen. Dies bewerkstelligte er mit solcher Eile, daß er über zwei Drittel von einer guten deutschen Meile in einer halben Stunde lief.
    Eben als er am äußersten Thorweg von Herrn Alwerths Landsitze ankam, begegnete er dem Gerichtsvogt mit seinem Geleite, welche seine Molly in Gewahrsam hatten und mit ihr nach dem Hause zu wandelten, in welchem die niedrigere Klasse von Menschen [160] wenigstens eine gute Lektion lernen kann, nämlich: Respekt und Gehorsam gegen ihre Obern; indem es ihnen den weiten Unterschied zeigen muß, welchen das Glück unter solchen Personen, welche wegen ihrer Fehler gezüchtigt und welche nicht gezüchtigt werden sollen, zu machen beliebt hat; wofern sie diese besagte Lektion nicht lernen, so besorge ich, werden sie sehr selten eine andre lernen, oder in einem dergleichen Zuchthause ihre Sitten bessern.
    Ein behender Jurist mag vielleicht denken, Herr Alwerth habe bei dieser Gelegenheit seine Autorität ein wenig überschritten. Und, die Wahrheit zu sagen, bin ich selbst ungewiß, da hier keine förmliche Klage eingebracht worden, ob sein Verfahren so ganz in der Ordnung war. Dennoch, da seine

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