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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Absicht wirklich gut gemeint war, muß man ihn
in foro conscientiae
entschuldigen, weil tagtäglich so manche obrigkeitliche Personen nach eignem Gutdünken verfahren, welche diese Entschuldigung keineswegs für sich anführen können.
    Tom hatte nicht sobald vom Gerichtsvogt Nachricht erhalten, wohin er seinen Weg nähme (in der That war er von selbst schon auf die ziemlich richtige Mutmaßung verfallen), als er die Molly in seine Arme faßte und solche vor aller Augen sehr zärtlich an seine Brust drückte, wobei er schwur: er wolle den ersten besten ermorden, der sich unterstehen wollte sie anzurühren. Er sagte ihr, sie solle sich die Thränen abtrocknen und sich zufrieden geben, denn wohin sie auch ginge, wollte er mit ihr gehen. Drauf kehrte er sich zu dem Gerichtsvogt, welcher mit abgezognem Hute dastand und zitterte, und begehrte von ihm, mit gemilderter Stimme, er möchte nur auf einen Augenblick mit ihm nach seines Vaters Hause (so nannte er jetzt Herrn Alwerth) zurückkehren. Denn, sagte er, er könne sich drauf verlassen, sobald er dem würde gesagt haben, was er zu ihrem Besten vorzubringen hätte, so würde das Mädchen frei und ledig gesprochen worden.
    Der Gerichtsvogt, der, wie ich nicht zweifle, seine Gefangene losgegeben hätte, wofern es Tom verlangt hätte, willigte sehr gern in dies Verlangen. Sonach gingen sie alle wieder zurück in Herrn Alwerths Richtsaal, woselbst ihm Tom zu bleiben befahl, bis er wieder käme, und dann selbst hinging, den guten Mann aufzusuchen. Sobald er ihn gefunden, warf sich ihm Tom zu Füßen, flehte um ein geduldiges Gehör, und bekannte sich selbst für den Vater des Kindes, mit welchem Molly schwanger war. Er flehte ihn an, Mitleiden mit der armen Dirne zu haben und in Betrachtung zu ziehen, daß, wenn ja ein Verbrechen dabei wäre, solches hauptsächlich vor seine Thüre zu legen sei.
    »Ein Verbrechen dabei wäre?« antwortete Alwerth mit ziemlicher [161] Wärme. »Bist du denn also ein so verhärteter, so verlassner Wollüstling, daß du zweifeln kannst, ob bei Uebertretung göttlicher und menschlicher Gesetze, bei Verführung und Verderbung eines armen Mädchens ein Verbrechen vorhanden sei oder nicht? Ich gestehe freilich, daß es hauptsächlich auf dir liegt; und ein so schweres ist es, daß du fürchten solltest, es werde dich gänzlich zu Boden drücken.«
    »Was ich auch dafür werde leiden müssen,« sagte Tom, »lassen Sie mich nur mit meiner Fürbitte für das arme Mädchen glücklich sein. Ich bekenne, daß ich sie verführt habe; aber ob sie völlig ins Verderben geraten soll, das steht bei Ihnen. Ums Himmels willen, gütigster Herr Vater, nehmen Sie den Verhaftsbefehl zurück und senden Sie sie nicht an einen Ort, der ihren unvermeidlichen Untergang zur Folge haben muß!«
    Alwerth befahl ihm, sogleich einen Bedienten zu rufen. Tom antwortete, es würde nicht nötig sein, weil er den Leuten zu gutem Glück am Thorwege begegnet sei und sie voll Vertrauen auf seine Güte wieder mit zurück ins Haus genommen habe, wo sie nun im großen Saale seinen endgültigen Entschluß erwarteten, und welchen, wie er nochmals auf seinen Knieen bäte, er zu Gunsten des armen Mädchens fassen möchte: daß sie doch nach Hause zu ihren Eltern gehen und nicht noch mehr Schimpf und Spott aushalten dürfe, der sonst notwendigerweise auf sie fallen müßte. »Ich weiß wohl,« sagte er, »es ist zu viel. Ich weiß, daß ich der gottlose Urheber bin. Ich will streben, womöglich es wieder gutzumachen; und wenn Sie nach diesem die Güte haben werden, mir zu verzeihen, so hoffe ich es zu verdienen.«
    Alwerth besann sich ein wenig und sagte endlich: »Wohl, ich will den Verhaftsbefehl zurücknehmen. Du kannst mir den Gerichtsvogt heraufschicken.« Er ward augenblicklich gerufen, entlassen, und das Mädchen gleichfalls.
    Man wird nicht glauben, daß Herr Alwerth ermangelt habe, dem Tom bei dieser Gelegenheit eine scharfe Bußpredigt zu halten; allein es ist unnötig solche hier einzuschalten, da wir getreulich nachgeschrieben haben, was er zur Hanne Jones im ersten Buche sagte, wovon das meiste ebenso gut für Mannspersonen paßt, als für Frauenzimmer. Eine so tiefe Wirkung that diese Ermahnung auf den jungen Menschen, der kein verstockter Sünder war, daß er sich auf seinem Zimmer verschloß, wo er den Abend allein und in sehr melancholischen Betrachtungen hinbrachte.
    Alwerth nahm dem Jones diese Uebertretung sehr übel; denn, ungeachtet der Behauptung des Herrn Western, ist

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