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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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es doch nicht weniger gewiß, daß dieser würdige Mann sich in seinem Leben kein [162] verbotenes Vergnügen mit dem andern Geschlechte erlaubt hatte und an andern das Laster der Unenthaltsamkeit ernsthaft tadelte. In der That hat man Ursache zu glauben, daß an allem, was Junker Western behauptete, kein wahres Wort gewesen; um so mehr, da er den Schauplatz solcher Unsauberkeiten nach einer Universität verlegte, woselbst Herr Alwerth niemals gewesen war. Es erhellt klar, daß der ehrliche Junker nur zu geneigt war, sich diese Art von Scherzen zu erlauben, die man dort gemeiniglich Renommisten-Jux nennt, die man aber mit aller Schicklichkeit durch ein viel kürzeres Wort ausdrücken könnte, und vielleicht schieben wir diesem kleinen zweisilbigen Worte deswegen ein anderes unter, weil wir demjenigen, was in der Welt so häufig für Witz und Spaß durchgeht, nach der strengsten Sprachrichtigkeit diese kurze Benennung geben müßten, welche ich hier, in Gemäßheit der überhöflichen Gesetze eingeführter Lebensart, unterdrücke.
    Allein, welchen Abscheu auch Herr Alwerth vor diesem oder jedem andern Laster hegte, so ward er dadurch doch nicht so sehr geblendet, daß er nicht an der schuldigen Person auch jede Tugend ebenso klar und deutlich hätte wahrnehmen können, als ob in demselben Charakter gar keine Mischung von Lastern stattgefunden. Derweil er also über Jones' Unenthaltsamkeit zürnte, war er nicht weniger zufrieden mit der redlichen Offenherzigkeit seiner Selbstanklage. Er begann nun in seinem Gemüte von diesem Jünglinge eben die Meinung zu fassen, welche, wie wir hoffen, der Leser von ihm gefaßt haben wird. Und indem er seine Fehler und seine Vollkommenheiten gegen einander auf die Wagschale legte, schienen die letzten das Uebergewicht zu behalten.
    Es war also vergebens, daß Ehren-Schwöger, welchem Neffe Blifil die Geschichte brüheheiß zugetragen hatte, allem seinem Groll gegen Tom den Zügel schießen ließ. Alwerth hörte diese Schmähungen ganz gelassen an und antwortete hernach mit kaltem Blute, daß junge Leute von Toms Temperament zu gewöhnlich diesem Laster ergeben wären; er glaube aber, dieser Jüngling wäre aufrichtig von demjenigen gerührt, was er ihm bei dieser Gelegenheit gesagt hätte, und er hoffe, er würde keine neue Uebertretung der Art begehen. Sonach, da die Tage des Schulzepters zu Ende gegangen waren, konnte der Herr Informator seiner Galle keinen andern Ausweg schaffen als durch seinen eigenen Mund; der gewöhnliche und armselige Behelf ohnmächtiger Rache.
    Quadrat hingegen war ein weniger heftiger aber auch ein weit schlauerer Mann; und weil er unsern Tom ärger haßte als vielleicht Schwöger selbst, so wußte er es so anzulegen, daß er ihm in Alwerths Gemüt auch mehr Schaden that.
    [163] Der Leser muß sich der verschiedenen kleinen Vorfälle mit dem Feldhuhn, dem Pferde und der Bibel erinnern, welche im zweiten Buche erzählt sind; durch welche alle Jones die Gewogenheit, die Herr Alwerth gegen ihn zu unterhalten geneigt war, mehr vergrößert als vermindert hatte. Ebendasselbe müßte ihm, nach meiner Meinung, mit jedem andern Menschen begegnet sein, der nur einigen Begriff von Freundschaft, Großmut und Seelenstärke hatte; das heißt, der einige Spuren von Menschengefühl in seiner eignen Brust fand.
    Quadrat kannte nun zwar selbst wohl die wahren Eindrücke, welche diese verschiedenen Beweise von Herzensgüte auf die edle Seele des Herrn Alwerth gemacht hatten; denn der Philosoph wußte recht gut, was Tugend sei, ob er gleich nicht allemal gar zu standhaft in ihrer Ausübung sein mochte. Herrn Schwöger aber kamen (aus was für Gründen? mag ich nicht entscheiden) dergleichen Gedanken niemals in den Kopf. Er betrachtete den Tom in einem nachteiligen Lichte und nach seiner Einbildung that das Herr Alwerth ebenfalls; nur meinte er von dem, er wolle aus Stolz oder verkehrtem Eigensinn einen jungen Menschen nicht aufgeben, den er ehedem geliebt hätte, weil er hierdurch sonst stillschweigend bekennen müßte, daß er sich in seiner vorigen Meinung geirrt habe.
    Quadrat ergriff demnach diese Veranlassung, dem Jones an seiner zartesten Seite eins zu versetzen, indem er allen vorbesagten Begebenheiten eine sehr böse Wendung gab. »Es thut mir leid, Herr Alwerth,« sagte er, »gestehn zu müssen, daß ich mich ebensogut habe hintergehen lassen als Sie selbst. Ich konnte nicht umhin, ich bekenne es, über etwas meine Freude zu haben, das ich auf Rechnung der

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