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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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förmlich der Wahrnehmung auf. Die Jungen fuhren zusammen, sahen sich an und richteten sich in lauschender Stellung empor. Ein langes Schweigen folgte, tief und ununterbrochen, dann ertönte ein dumpfes, dröhnendes »Bum« aus der Entfernung über das Wasser herüber.
    »Was ist das?« rief Joe mit unterdrückter Stimme.
    »Möcht's selber wissen,« flüsterte Tom.
    »Donner ist's keiner,« meinte Huck in ängstlichem Ton, »denn Donner –«
    »Still,« gebot Tom, »schwätz nicht; horch lieber!«
    Wieder warteten sie eine Zeitlang, die eine Ewigkeit schien, dann unterbrach dasselbe dumpfe »Bum« die feierliche Stille.
    »Laßt uns doch sehen, ob wir was entdecken können.«
    Damit sprangen sie auf die Füße und rannten dem der Stadt gegenüberliegenden Ufer zu. Vorsichtig teilten sie die Büsche und lugten hinter denselben hervor auf das Wasser hinaus. Die kleine Dampffähre trieb, vielleicht eine Meile unterhalb der Stadt, mit der Strömung daher. Das breite Deck wimmelte von Menschen. Eine Menge Boote ruderten um dieselbe herum oder ließen sich von den Wellen der Fähre treiben, die Jungen aber konnten nicht sehen, was die Männer in den Booten taten. Alsbald brach eine dicke Wolke weißen Rauches aus der einen Seite der Fähre hervor, und als sie sich zu erheben und zu zerstreuen begann, erklang derselbe dumpfe Ton in den Ohren der lauschenden Knaben.
    »Jetzt weiß ich's,« rief Tom, »da ist einer ertrunken.«
    »Das ist's, weiß Gott,« stimmte Huck bei, »so haben sie's vorigen Sommer grad auch gemacht, als der Bill Turner ertrunken war. Da haben sie 'ne Kanone losgefeuert und da kommt dann der Tote herauf aufs Wasser. Ja, und sie nehmen auch große Brote und stecken Quecksilber hinein und lassen die schwimmen, und die schwimmen dann grad darauf los, wo ein Ertrunkener liegt und halten da an, damit man ihn findet.«
    »Ja, davon hab ich auch gehört,« bestätigte Joe, »woher das Brot das wohl tut?«
    »Na, das Brot selber tut's weniger, als das, was sie vorher darüber sprechen, der Zauber, mein ich,« sagte Tom.
    »Aber sie sprechen gar nichts darüber,« versicherte Huck, »ich war ja ganz nah dabei und hab alles gesehen.«
    »Das wär sonderbar,« meinte Tom, »vielleicht sagen sie's nur leise. Natürlich ist's so, das könnt ein Kind wissen,« fügte er geringschätzend bei.
    Die anderen beiden gaben denn auch zu, daß Tom recht haben könne. Von einem unvernünftigen Brot, das, unbelehrt durch irgendeinen Zauberspruch, mit solch ernster, wichtiger Sendung betraut werde, könne man doch unmöglich viel Verstand erwarten.
    »Weiß Gott, ich wollt, ich wär drüben dabei,« rief Joe.
    »Ich auch,« bekräftigte Huck, »ich gäb alles darum, wenn ich wüßt, wer da gesucht wird.«
    Wieder lauschten die Jungen und beobachteten. Plötzlich tauchte ein erleuchtender Gedanke blitzartig in Toms Hirn auf und er rief:
    »Jungens, ich weiß, wer dort ertrunken ist – wir sind's!«
    Und sie fühlten sich als Helden im nächsten Augenblick. Das war ein glorreicher Triumph! Sie wurden vermißt, betrauert, Herzen brachen ihretwegen, Tränen flossen. Anklagende Erinnerungen an Unfreundlichkeiten gegen diese armen, nun verlorenen Knaben tauchten auf, Bedauern und Reue beschlich die betreffenden Herzen, und was noch das beste von allem war, die Verschwundenen bildeten das Gespräch der ganzen Stadt. Alle anderen Jungen mußten sie glühend beneiden um diese glänzende, öffentliche Berühmtheit, Das war herrlich! Dafür lohnte es sich wahrhaftig, Pirat zu sein!
    Die Dämmerung begann, die Dampffähre kehrte zu ihrer gewöhnlichen Beschäftigung zurück, die Boote verschwanden und die Piraten begaben sich nach ihrem Lager, Sie strahlten förmlich vor Wonne und Eitelkeit über ihre neue Größe und die glorreiche Unruhe, die sie verursachten. Sie fingen die Fische, bereiteten ihr Abendessen, verzehrten es und vertrieben sich dann die Zeit damit, sich vorzustellen, was man zu Hause wohl über sie sagte und dachte. Sich die Bilder der allgemeinen Kümmernis, die ihretwegen herrschte, auszumalen und von ihrem Standpunkt zu betrachten, gewährte ihnen die höchste Befriedigung. Als aber die Schatten der Nacht sie zu umhüllen begannen, verstummte allmählich das Gespräch. Sie saßen und starrten ins Feuer, während ihre Gedanken offenbar ganz wo anders herumstreiften. Die Erregung war verflogen und Tom und Joe konnten sich der leise mahnenden Überzeugung nicht erwehren, daß gewisse Leute zu Hause weit weniger

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