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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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verbeugend nach unten, bekam einen wahren Beifallssturm von dem dankbaren Publikum und zog sich aufatmend zurück.
    Ein kleines, verschüchtertes Mädchen lispelte ihr:

    »Ein kleines Lämmchen, weiß wie Schnee,
    Ging einstens auf die Weide,«

    machte einen mitleiderregenden Knix, erhielt ihren Anteil an Applaus und setzte sich glühend rot und glückselig wieder hin.
    Tom Sawyer trat nun vor, voll stolzer aber trügerischer Zuversicht, und begann mit donnerndem Pathos und verzückten Gebärden die berühmte Ode an die »Freiheit« zu deklamieren. Aber wehe! In der Mitte etwa angelangt, – verließ ihn just das Gedächtnis, das »Lampenfieber« ergriff ihn, seine Knie zitterten, er drohte zusammenzusinken oder zu ersticken. Wohl hatte er des Hauses Mitleid für sich, aber auch des Hauses Schweigen. Finster blickte der Lehrer, drohend zog er die Stirne in Falten; dies machte das Unheil vollständig. Tom stammelte, stotterte noch eine Weile, gab's dann auf und zog sich zurück, jeder Zoll ein geschlagener Held! Ein schwacher Beifallsversuch, der sich erheben wollte, wurde im Keime erstickt.
    Jetzt folgten:

    »Auf brennendem Deck der Knabe stand.«

    Dann:

    »Hernieder kam einst Assurs Macht«

    und andere dergleichen deklamatorische Kleinodien. Nun kamen Leseübungen und ein regelrechtes Kreuzfeuer in der Kunst des Buchstabierens. Die magere Lateinklasse bestand ihre Sache mit Ehren. Dann nahte der Hauptakt des ganzen Abends, – der Vortrag von selbstgefertigten Aufsätzen und Gedichten der »jungen Damen«. Der Reihe nach trat jede an den Rand der Estrade, räusperte sich, erhob ihr von einem zierlichen Band umschlungenes Manuskript und begann zu lesen mit dem nötigen Aufwand von Ausdruck und Gefühl. Die Themata waren dieselben, wie sie ihre Mütter, Großmütter und zweifellos alle weiblichen Vorfahren der Familie bis zurück zu den Kreuzzügen schon bearbeitet hatten: »Freundschaft« – »Erinnerungen früherer Tage« – »Die Religion in der Geschichte« – »Das Land der Träume« – »Die Vorteile der Kultur« – »Vergleiche und Verschiedenheiten der politischen Regierungsformen« – »Melancholie« – »Kindliche Liebe« – »Herzenswünsche« – usw. usw.
    Die meisten dieser Ergüsse zeichneten sich durch eine starke Vorliebe für das Gefühlvolle aus. Die großartigste Verschwendung erhabener Ausdrücke und Redewendungen war ebenfalls ein gemeinsamer Zug, ebenso das gewaltsame Herbeiziehen allgemein bekannter und beliebter Phrasen und Zitate. Den Schluß bildete hier wie dort unweigerlich eine möglichst stark aufgetragene moralische Nutzanwendung. Einerlei, was der behandelte Gegenstand gewesen, mit kühnem Sprung lief das Ende ohne Unterschied in eine äußerst erbauliche Betrachtung aus, die sich nicht ohne Rührung anhören ließ und einen schmeichelhaften Rückschluß auf die Tugenden der schönen Mahnerin gestattete.
    Der erste Aufsatz, der vorgetragen wurde, betitelte sich: » Dies also ist das Leben?« Vielleicht hat der Leser Geduld genug, einen Auszug hieraus anzuhören.
    »Trunkenen Auges, mit wonnebebendem Herzen schaut der jugendliche Geist den zu erwartenden Freuden des Lebens entgegen. Geschäftig malt ihm die Einbildungskraft rosenfarbene Bilder der Wonne vor. Im Geiste sieht sich die jugendliche Schöne als »Dame von Welt«, inmitten des wogenden, festlichen Getriebes, scherzend, lachend, umkost, umworben, gefeiert »schauend und geschaut!« Ihre anmutige Gestalt gleitet in wehenden, weißen Gewändern auf den Wellen des wirbelnden Tanzes dahin, ihr Auge strahlt am hellsten, ihr Schritt ist der elastischste in der ganzen heiteren Gesellschaft. Unter solch gaukelnden, lockenden Phantasiegebilden schwindet schnell die Zeit und die ersehnte Stunde erscheint, die Stunde, welche Einlaß bringen soll in jene elysische Welt, die solche Wonneträume zu wecken vermag. Wie zauberisch erscheint dem geblendeten Auge alles und jedes! Jede neue Szene ist reizender, lockender als die vorhergegangene. Doch kurze Zeit nur währt der Rausch! Bald zeigt es sich, daß unter der glänzenden Außenseite Hohlheit sich birgt. Die Schmeichelei, die einst die Seele fesselte, verletzt nun das Ohr mit schrillem Klang, der Ballsaal verliert seine Reize. Mit zerrütteter Gesundheit, verbitterten Herzens wendet sich das »Kind der Welt« ab, die Überzeugung tief im Busen bergend, daß irdische Freuden das Verlangen der unsterblichen Seele nicht zu befriedigen imstande sind!«
    Und so weiter.

    Ein

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