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Tom Thorne 04 - Blutzeichen

Titel: Tom Thorne 04 - Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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    »Die Yardies können es schlecht sein«, warf Hendricks ein, als er sich wieder beruhigt hatte. »Und die Yakuza auch nicht. Soweit wir wissen, ist unser Killer weder schwarz noch Japaner …«
    Ein Zeuge behauptete, den Mörder gesehen zu haben. Am Tatort des dritten Mordes. Er hatte etwas vage einen weißen, etwa dreißigjährigen Mann beschrieben. Der Zeuge, Marcus Moloney, war ein »Geschäftspartner« der Ryan-Familie und nicht gerade das, was man gemeinhin als aufrechten Bürger bezeichnet, aber er schien sich dessen, was er gesehen hatte, sicher zu sein.
    »So einfach ist das nicht«, wandte Thorne ein. »Das ist vielleicht vor zehn Jahren so gelaufen, als die Leute mehr unter sich geblieben sind, aber heute ist ihnen das egal. Die Freiberufler gehen da hin, wo es Arbeit gibt. Die Triaden greifen auf Yardies zurück, und die Yardies arbeiten mit den Russen. Letztes Jahr haben sie eine Yakuza-Bande kassiert, weil sie Leute vor Schulen angeworben haben. Es fehlte noch, dass sie Bewerbungsformulare ausgeteilt haben: Die nehmen alles, Griechen, Asiaten, Türken.«
    Hendricks grinste. »Schön, dass niemand benachteiligt wird …«
    Thorne stöhnte, und die beiden machten es sich bequem, ohne die nächsten Minuten etwas zu sagen. Thorne schloss die Augen und spielte mit seinem Kinnbärtchen, das er sich Ende letzten Jahres hatte wachsen lassen. Der Bart täuschte so etwas wie ein markantes Kinn vor und verbarg zugleich eine Narbe, die von einer Messerwunde stammte.
    Die gezackte Linie, die quer über Thornes Kinn lief, war die einzige sichtbare Erinnerung an eine Nacht vor sechs Monaten, in der er um sein Leben gebetet hatte und gleichzeitig darum, möglichst schnell zu sterben. Da waren noch andere Narben, die leichter zu verbergen waren, ihm aber mehr Beschwerden bereiteten. Manchmal tastete Thorne im Dunkeln danach und betastete diese Narben, bis sie sich wieder öffneten. Er sah den Schorf vor sich, der sich bildete, schwarzes Blut auf zartem Fleisch. Die Kruste, die unter seinen Fingernägeln juckte und zerbröselte …
    Lucinda Williams sang sanft über eine verzehrende Lust. Ihre Stimme war sanft und rau zugleich, schwang sich wie Rauch über das einzige Begleitinstrument, eine akustische Gitarre.
    Thorne und Hendricks zuckten beide leicht zusammen, als das Telefon klingelte.
    »Tom?« Eine Frauenstimme.
    Thorne sank zurück in seinen Sessel, das Telefon in der Hand. Absichtlich laut, damit die Anruferin es auch verstehen konnte, rief er Hendricks zu: »Herr im Himmel, diese verrückte Lady, die mich ständig mit ihren Anrufen nervt …«
    Grinsend brüllte Hendricks zurück: »Sag ihr, ich kann das Katzenfutter bis hierher riechen!«
    »Schieß los, Carol«, sagte Thorne. »Erzähl mir, was so läuft im trendigen Worthing. Musste eine Katze vom Baum gerettet werden, oder sind ein paar alte Weiber mit ihren Krankenkassen-Shoppern zusammengestoßen?«
    Die Frau am anderen Ende der Leitung war nicht in der Stimmung für das übliche Gefrotzel. »Ich muss mit dir reden, Tom. Du musst dir das anhören …«
    Also hörte Thorne zu. Das Curry wurde geliefert und blieb unangetastet, aber daran verschwendete er nicht einmal einen Gedanken. Sobald sie zu sprechen begonnen hatte, war ihm klar geworden, dass es ein ernstes Problem gab.
    Noch nie, seit er Carol Chamberlain kannte, hatte er sie weinen gehört.

Zweites Kapitel
    »Du hast doch sicher versucht, die Nummer herauszubekommen …?«
    Sie hob die Augenbrauen. Fragte ihn, ob er sie für eine komplette Idiotin halte.
    Thorne zuckte entschuldigend die Schultern.
    Als er vor einem Jahr Carol Chamberlain zum ersten Mal sah, hielt er sie für eine abgetakelte Frau mittleren Alters, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wusste; eine abgetakelte Frau mittleren Alters, von der er fälschlicherweise annahm, sie sei die Mutter eines seiner Constables.
    Sie behauptete noch immer, ihm das nicht verziehen zu haben.
    Ex-Detective-Inspector Carol Chamberlain war an einem schwülen Julivormittag vor etwa sieben Monaten in Thornes Büro aufgetaucht und hatte die Jagd nach einem sadistischen Vergewaltiger und Mörder auf den Kopf gestellt. Sie war ein Mitglied der so genannten »Grauen Zellen« – einer aus ehemaligen Polizeibeamten zusammengestellten Einheit, die so genannte kalte Fälle bearbeitete. Chamberlain musste nicht lange überredet werden, um zurückzukommen. Nach dreißig Jahren Dienst hatte man sie vorzeitig aus der Metropolitan Police gedrängt – so empfand

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